Deutsch-Amerikanischer Almanach

Nina Gartz
Indianer und Alkoholmißbrauch

3.Der betrunkene Indianer als bedrohliche Figur

a.Magua

Magua, der Antagonist aus Coopers The Last of the Mohicans, und Wyandotté haben viel gemeinsam. Beide wurden in der Vergangenheit gedemütigt und entehrt. Durch die Franzosen kam der Huron Magua einst in Berührung mit Feuerwasser. Schon bald entwickelte er ein so starkes Verlangen nach Alkohol, daß er für seinen Stamm untragbar wurde. Seine Stammesbrüder verstießen ihn und trieben ihn damit in die Arme der Erzfeinde, der mit den Briten verbündeten Mohikaner. Auch dort konnte der Huron seiner Passion nicht beikommen. Die Briten allerdings stellten öffentliche Intoxikation unter Strafe und statuierten an Magua ein Exempel. Die resultierenden Narben am Rücken, derer sich ein wahrer Krieger schämen muß, verbirgt der Indianer unter einem Mantel. Während bei Wyandotté rachsüchtige und demütige Charakterzüge alternieren, haben die vergangenen Entehrungen Magua zum Sinnbild des blutrünstigen Barbaren, des "Monsters", das auf Vergeltung sinnt, gemacht. "The spirit of a Huron is never drunk; it remembers forever!" (120ff). Er hat dem Alkohol entsagt und wieder eine Führungsposition unter den Huron, die nun ihrerseits als "cluster of lolling savages" dem Alkohol erlegen scheinen, eingenommen (123). Denn Magua, der den französischen Beinamen Le Renard Subtil (schlauer Fuchs) trägt, gehört dem Sondertypus des geschickten Demagogen an, der durch seine Eloquenz besticht. Während ihm sein Stamm kopflos folgt, plant Magua sorgfältig voraus. Er entführt die Töchter des einstigen britischen Peinigers Munro und beabsichtigt eine, die ältere Cora, zu seiner Squaw zu machen. Es folgt eine "flight and pursuit"-Handlungsstruktur (Hermann 167), die mal Magua mal die Verfolger Bumppo und Chingachgook im Vorteil erscheinen läßt. Den Schwestern gegenüber erklärt Magua seine Motivation: "Was it the fault of Le Renard that his head was not made of rock? Who gave him the firewater? Who made him a villain? 'Twas the palefaces, the people of your own color [...] Is it justice to make evil, and then punish for it?" (119ff). Er weist also jegliche Verantwortung für das zu seiner Vertreibung und Bestrafung führende Verhalten von sich und macht die time out period geltend: "Magua was not himself; it was the firewater that spoke and acted for him!" (120ff). Ein Mitgefangener der Schwestern ignoriert die offensichtliche Enthaltsamkeit Maguas und legt als Gegenleistung für eine Freilassung einen alkoholischen Köder aus: "He [Munro] will make the firewater from the Islands in the salt lake flow before the wigwam of Magua, until the heart of the Indian shall be lighter than the feathers of the hummingbird, and his breath sweeter than the wild honeysuckle" (112). Mit dieser Strategie kann er natürlich keinen Erfolg haben. Der Roman endet tragisch mit dem Tod Maguas, Coras und Uncas', dem einzigen Sohn Chingachgooks.

b.Weiße Schurken und indianische Kampfmaschinen

"This pattern of Native American characters made more hostile by alcohol persists throughout the history of the Western", schreibt Michael Hilger in seinem Buch From Savage to Nobleman (38f). Tatsächlich scheinen besonders die Western der 1940er bis 1960er Jahre die feindliche Gesinnung der Indianer auf den von weißen Bösewichten verabreichten Alkohol zurückzuführen. Die Indianer mutieren so zu persönlichen Kampfmaschinen der Schmuggler und Diebe - mit nur geringen Überlebenschancen. "Hardly a white man bites the dust, yet the Redmen consistently get picked off like ducks at a shooting gallery", merkt ein Kritiker der Zeitschrift Variety hinsichtlich der hohen Sterberate der Indianer, selbst wenn sie in überragender Überzahl erscheinen, an (zitiert in Hilger, From Savage to Nobleman 168).118 Die Handlungsmuster vieler Filme fallen verblüffend identisch aus: Die Schurken statten die Indianer mit einer explosiven Mischung aus Waffen und Alkohol aus und stacheln sie direkt oder indirekt zum Aufstand oder Angriff auf unschuldige weiße Siedler oder Wagentrecks an. Dabei wird den Indianern vom weißen Helden, der den weißen Bösewichten im Verlauf des Films das Handwerk legt, mal mehr mal weniger Verständnis entgegengebracht.119

Der Film The Comacheros von 1961 stellt einen Sonderfall dar, denn hier trinken und plündern Indianer (Comanchen) und Weiße (Comancheros) Seite an Seite. Sie bilden eine Art anarchistische Kommune inmitten der majestätischen Kulisse des Monument Valley. Allerdings handelt es sich bei den Comancheros um Weiße südländischer Prägung, die der anglo-amerikanische Held, der Texasranger Jake Cutter (John Wayne), und sein französischer sidekick Paul Regret (Stuart Whitman) in der Hierarchie der Rassen wohl nur eine Stufe über den Indianern ansiedeln. Gemeinsam überfallen sie die Farmen der Umgebung, töten schwangere Frauen und Kinder und werden nach der Rückkehr von ihren Streifzügen mit Alkohol und rauschenden Festen entlohnt. Die Daheimgebliebenen strecken den Heimkehrern, noch bevor diese von ihren Pferden absteigen können, gefüllte Krüge entgegen, die ihnen - begleitet von Schüssen und Kriegsgeheul - gierig aus den Händen gerissen werden. "You have a unique way of paying off your help around here", merkt Cutter gegenüber den weißen Anführern an. Dieser ungewöhnlichen Zahlungsmethode verdanken Cutter und Regret allerdings ihre Flucht im Morgengrauen, als Comanchen und Comancheros ihren Rausch ausschlafen und den Entflohenen nur hinterhertorkeln können. Cutter bringt den Comanchen kein Verständnis entgegen. Mitleid empfindet er lediglich für eine erbärmliche Gruppe von "tame Indians", die um Zigarren und Whiskey betteln. Die Zigarren erhalten sie von Cutter, nicht aber den Whiskey.

Die von John Wayne in Fort Apache (1948) dargestellte Figur Captain Yorks zeigt mehr Empathie, auch gegenüber kriegerischen Indianern. Seine Wut richtet sich gegen den skrupellosen Alkoholhändler Meecham, der sich für das Leid und den daraus resultierenden Aufstand der Apachen verantwortlich zeichnet, der seine Profitgier aber als christliche Nächstenliebe gegenüber "seinen kindlichen Apachen" tarnt. Er verkauft den Indianern billigen Fusel, "rotgut whiskey", den er aber als "frontier whiskey" bezeichnet und den er sich in Holzkisten mit der Aufschrift "Bibles" zusenden läßt. "The women degraded, the children sickly, and the men turning into drunken animals", so beschreibt York den Zustand der Apachen. Auf diese Art und Weise können und wollen die stolzen Indianer unter der Führung von Cochise nicht leben und sie beschließen, das Reservat entgegen den in den Verträgen getroffenen Vereinbarungen zu verlassen, um sich dem Einfluß Meechams zu entziehen. Bei dem Vorgesetzten Colonel Thursday (Henry Fonda) stößt York mit seinen indianerfreundlichen Argumenten allerdings auf taube Ohren. Der schützt den lizensierten Händler: "Mr. Meecham is a representative of the United States government". So kommt es zur blutigen Schlacht, welche die Indianer dem "slow death", dem Dahinsiechen im Reservat vorziehen.

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