Deutsch-Amerikanischer Almanach

Birgit Ermer
Vererbter Reichtum und demokratische Gesellschaft

"From rags to riches..." diese Redewendung ist heutzutage überall auf der Welt bekannt und ist gleichzeitig auch zu einem Sinnbild für die Vereinigten Staaten von Amerika geworden. Nicht nur, daß die "neue Welt" ihren Bürgern und Neuankömmlingen eine Verbesserung der bisherigen Lebenssituation verhieß, in Amerika sollte es auch für jeden möglich sein, den Traum von persönlichen Reichtum real werden zu lassen und so kann man mit Recht sagen, daß kein anderes vergleichbares Land der Welt die Entstehung von großem Besitz so sehr begünstigt wie die USA. Was ist allerdings mit einem erwirtschafteten Reichtum anzufangen, wenn sich der eigene Lebensweg irgendwann dem Ende zuneigt? Die Antwort auf diese Frage ist wie das Streben nach größtmöglichen Vermögen und Besitz tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt und so sollen möglichst die eigenen Nachkommen von einem Reichtum profitieren.

Wer heute noch die Erben eines Reichtums sind, was diese mit ihrem Wohlstand anfangen und welche Bedeutung vererbte Vermögen für die amerikanische Gesellschaft und ihre Demokratie haben, versucht diese Arbeit auf den folgenden Seiten zu erörtern.

Erben in Amerika

Bevor man sich mit dem Übergang von großen Privatvermögen im Detail beschäftigt, sollte man zuerst das amerikanische Erbrecht allgemein betrachten. Für unsere Gesellschaft ist es heutzutage eine Selbstverständlichkeit, daß jede Person, unabhängig von deren sozialen Schicht oder Geschlecht, das Recht hat, die Hinterlassenschaft eines Mitmenschen anzutreten, solange sie von diesem als Erbnehmer dazu befähigt wurde. Dies war jedoch bei weitem nicht immer so, denn die Geschichte des Erbrechts ist gleichzeitig auch die des Rechts auf persönlichem Besitz, und in der jungen Geschichte Amerikas ist das Erbrecht seit jeher ein sehr heikles und viel diskutiertes Thema: Betrachtet man die Rechtsgeschichte, so läßt sich feststellen, daß die Diskussion um das Recht auf Erbe schon immer geprägt war von der wirtschaftlichen Sichtweise auf zwei Grundprinzipien, dem der Freiheit und der Gleichheit. Einerseits soll jeder Mensch das Recht haben seinen persönlichen Besitz nach seinen eigenen Wünschen zu vererben, andererseits widerspricht eine hohe Erbschaft dem Prinzip der Gleichheit, daß nämlich alle Menschen die gleiche Ausgangschance haben sollen wenn es um den Aufbau wirtschaftlichen Erfolgs geht (Clignet 10). Zurückblickend auf die Zeit vor der Französischen Revolution hatte allein der Adel das Recht auf persönlichen Besitz und konnte diesen zusammen mit seiner übergeordneten sozialen Position an die nächste Generation weitergeben. Das Primogeniturrecht, also die Bevorzugung des erstgeborenen Sohnes bei der Erbverteilung, verfestigte sich in Adelskreisen. Mit dem Aufbegehren des Bürgertums wurden diese Besitzansprüche innerhalb der Gesellschaft neu geregelt und von da an war es fast jedem Mann möglich, seinen erwirtschafteten Besitz an seine Nachkömmlinge weiterzugeben (11 - 12). Je nach der vorherrschenden Sozial- und Wirtschaftsstruktur einer Gesellschaft, fand dabei das Primogeniturrecht oder eine andere Erbform unterschiedlich starke Ausprägung. So bevorzugte man in den ersten amerikanischen Kolonien Neuenglands bereits eine liberalere Erbregelung als in den meisten Gesellschaften Europas: Die Kolonisten machten es sich zur Gewohnheit, ihren persönlichen Besitz zur Absicherung des eigenen Lebensunterhalts weitgehend gleichmäßig unter allen Söhnen der Familie aufzuteilen. Ganz im Gegensatz hierzu stand die absolute Einhaltung des Primogeniturrechts in den südlichen Kolonien, da die Ausrichtung der Plantagenwirtschaft auf maximale Profite geradezu nach einer Konzentration von Macht und Land innerhalb einer Person verlangte (13). Obwohl die Vereinigten Staaten nach der Loslösung von England äußerlich zu einer Einheit geworden waren,

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herrschte in der jungen Nation weiterhin eine erbitterte Diskussion über die Behandlung von Erbfragen: Während einige Staatsregierungen das im

"Common Law" verankerte Primogeniturrecht als "symbol of the British feudal system" (Farber, qtd. in Clignet 13) völlig ablehnten, verlangten andere nach standardisierten Gesetzesregelungen, eine weitere Gruppe sprach sich gegen jegliche Einmischung in das persönliches Besitzrecht aus, während wieder andere die Einhaltung des Common Law unter allen Umständen erhalten wollten (Chester 38 - 40). Im Verlauf dieser noch ungelösten Diskussion kam es nach der Amerikanischen Revolution zu wichtigen wirtschaftlichen Veränderungen, die das soziale Leben beeinflußten und auch das Erbrecht verändern sollten: Neben der viel beschriebenen Entwicklung von Textilfabriken und anderen Wirtschaftsbetrieben wurden während dieser Zeit auch die ersten Finanzinstitutionen, Versicherungsgesellschaften und Transportunternehmen gegründet, außerdem wurden neue Finanzierungsmöglichkeiten und Geldanlagen erschlossen. Der private Reichtum unterzog sich einer Veränderung. Hatte dieser früher hauptsächlich aus Land und Rohstoffen bestanden, so befand er sich nun auf verschiedenen Bankkonten oder steckte in Unternehmensbeteiligungen oder Aktien. Die Meßbarkeit und Überschaubarkeit des Reichtums verringerte sich, da regelmäßige Zugewinne aus Zinsen, Aktienverschiebungen oder Mieten ständig zu seinem Anstieg beitrugen. Auch die Weitergabe und Verwaltung des persönlichen Besitzes wurde nicht mehr nur von Familienoberhäuptern durchgeführt, sondern ab dieser Zeit verstärkt von auf Nachlaßverwaltung spezialisierten Rechtsanwälten und Juristen übernommen (Shammans et al. 4 - 6). Die ersten schriftlichen Ratgeber zu diesem Thema wurden veröffentlicht und die professionelle Regelung der immer größer werdenden Vermögen, heute "Estate Planning" genannt, gewann unter der reichen Bevölkerungsschicht immer mehr an Bedeutung. Auch die Struktur der Familie begann sich zu verändern, die einst relativ autarke Großfamilie verschwand immer mehr zugunsten von kleinen Familien, bei denen beide Elternteile und meist auch die Kinder als Arbeiter in großen Industriebetrieben angestellt waren und somit alle Familienmitglieder in ihrer Existenz völlig von den Löhnen der Industriebosse abhängig waren [1] (7). Bald übernahm der Staat mehr und mehr Aufgaben um die Absicherung seiner Bürger zu gewährleisten, so wurden z.B. Programme zur Sozialunterstützung und Gesundheitsprogramme eingeführt. Zur Finanzierung dieser Leistungen griff der Staat wie selbstverständlich auf die Ressourcen seiner Bürger zurück und forderte folglich auch seinen Anteil bei der Vererbung von persönlichem Besitz. Mit der Einführung der ersten bedeutenden Nachlaßsteuern gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die freie Weitergabe von persönlichem Besitz zum ersten mal richtig beschränkt, was dem Staat zu dieser Zeit die Mißgunst von allen Bevölkerungsschichten, egal ob reich oder arm, einbrachte (Miller, McNamee 69 - 72). Heute hat man sich zwar an die verschiedenen Erbschaftssteuern wohl oder übel gewöhnt und es wurde auch eine relativ einheitliche Abwicklung von Erbvorgängen in allen US Staaten gefunden. Die beiden Grundprinzipien der Freiheit und Gleichheit jedes Bürger sind immer noch viel zitierte Grundlage der andauernden Diskussion über die Gerechtigkeit des amerikanischen Erbrechts, vor allem immer wieder dann, wenn es sich um die Weitergabe von großen Vermögen handelt.

Heute gibt es für alle US Staaten geltende Rahmenbedingungen für die Regelung des Besitzübergangs von Todes wegen, wie der Erbvorgang in der Juristensprache auch bezeichnet wird. Wer allerdings nun das Bild eines einheitlichen Erbrechts, wie es etwa in Deutschland vorzufinden ist, vor Augen hat, der muß eines Besseren belehrt werden: Wie es sich für einen "leidenschaftlichen" Mehrrechtsstaat gehört, hat in den USA jeder Staat sein eigenes Erbrecht. Gemeinsame Grundsätze definieren sich aus dem Common Law und werden durch allgemeingültige Bestimmungen der Regierung aus Washington vervollständigt. Wichtiger Ausgangspunkt bei der Betrachtung der amerikanischen Erbregelung ist, daß es entgegen der deutschen Universalsukzession [2] keine allgemeine Erbhaftung gibt. Statt dessen wird der Nachlaß je nach seiner Zusammensetzung in den USA unterschiedlich behandelt, so gelten z.B. für vererbte Immobilien andere Regelungen als für bewegliches Vermögen. In den meisten Fällen können Immobilien direkt auf den Erbnehmer übergehen, das bewegliche Vermögen wird hingegen beim Nachlaßgericht im sogenannten "Probate-Verfahren" einer genauen Überprüfung unterzogen. Die Regelung dieses Verfahrens ist für alle Staaten einheitlich festgesetzt obwohl dieses heute nur dann wirklich eingesetzt wird, wenn die Gültigkeit eines vorliegenden Testaments zu prüfen ist oder erst gar keine letzte Verfügung eines Verstorbenen vorliegt (Heiss 145 - 146). Grundsätzlich sollte jedem Erblasser daran gelegen sein das Probate-Vefahren zu vermeiden, denn wie Franz Heiss so treffend bemerkt, kostet es "Zeit, Nerven, Geld und einen guten Teil der bisherigen Privatssphäre" (146). Bis zur vollständigen Abwicklung des Probate können zwischen neun Monaten und bis zu vier Jahren Zeit vergehen, die Gebühren belaufen sich auf vier bis zehn Prozent des Nachlaßwertes (Burris, qtd. in Heiss, 147) und zusätzlich müssen alle Unterlagen des Verstorbenen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies bedeutet also, daß jedermann nachlesen kann, wer als Erbe bestimmt ist, ob und wo der Verstorbene Schulden hatte und wie vermögend dieser tatsächlich war (146 - 147). Zusätzlich wird jede Erbschaft besteuert. Bei den "Federal Estate Steuern" spielt es keine Rolle, in welcher Beziehung oder in welchem Verwandtschaftsgrad der Erbnehmer zum Erblasser stand bzw. steht, es gelten für alle Personen die gleichen Steuersätze. Die staatlichen Nachlaßsteuern beziehen sich hingegen bei einigen Staaten wieder auf die Höhe der Erbschaft, sind aber von der zu zahlenden Summe her immer geringer als die Bundessteuer (Heiss, 148). Trotz der doppelten Steuerbelastung gibt es aber auch viele Freibeträge, wie z.B. eine einheitliche Steuergutschrift oder Freibeträge für Beschenkte und Ehepartner (149) die von vielen Estate Plans auch geschickt ausgenutzt werden.

Der Begriff des "Estate Planning" ist selbst in den USA ein neuerer Begriff und umfaßt im Deutschen die Abwicklung einer vorweggenommenen Erbfolge, sowie eine Vermögensnachfolge- oder Nachlaßplanung. Hinter diesen beiden Worten verbirgt sich allerdings nichts anderes als der weitverbreitete Wunsch vieler Bürger, den erworbenen Reichtum vor ungewünschten Zugriffen von Seiten des Staates her zu schützen und ihn statt dessen in eine Richtung zu lenken, die der Erblasser für angemessen hält (Heiss 150). Obwohl auch Heiss , daß etwa 70% aller erwachsenen Amerikaner keinen Estate Pan aufstellen und noch nicht einmal ein Testament verfassen (151), befindet sich diese konsequente Planung der letzten Angelegenheiten seit einigen Jahren im Aufwind. Dies ist schon allein anhand der Flut von verschiedensten Ratgebern zu bemerken, die sich in amerikanischen Buchläden stapeln und auch zu meist recht kostspieligen Preisen im Internet angeboten werden. Es werden zahllose Kurse über dieses Thema ausgeschrieben und auch Finanzmagazine wie Forbes veröffentlichen regelmäßig neue Artikel über die besten Tips und Tricks für besondere Erbverfügungen. Ein ausgefeilter und perfekt auf die Zusammensetzung des Vermögens abgestimmter Estate Plan ist schon seit langem unter den wirklich reichen Amerikanern gang und gebe. Familien und auch Einzelpersonen die sich zu dieser Gruppe zählen können, beschäftigen meist ein ganzes Heer von professionellen Estate Planern, häufig zusammengesetzt aus Juristen, Finanzspezialisten und Wirtschaftswissenschaftlern, die sich neben der günstigsten Verteilung des Erbes auch um die verschiedensten Anlagemöglichkeiten der verbleibenden Erbmasse kümmern (Shammans et al. 179). Dies hat die positive Folge daß sich die enormen Vermögen durch eine Erbaufteilung nicht verringern, sondern es durch die Einnahmen aus Anlagegeschäften sogar zu einer Vergrößerung des Vermögens kommt (Miller, McNamee 208).Gerade bei der Zusammenarbeit mit extrem Reichen ergeben sich für diese Spezialisten sehr gute Verdienst- und Anstellungsmöglichkeiten, da es heutzutage eigentlich keinem größeren Unternehmer oder anderen wohlhabenden Personen mehr möglich ist, ihre Finanzen, Investitionen und Verfügungen alleine zu überwachen und zu regeln. Mit dem Estate Planning haben es die Amerikaner also geschafft, zwei für sie sehr bedeutende Handlungen zu vereinen, zum einen können sie ihr Vermögen geschickt anlegen, so daß es ihnen oder ihren Erben weiteren Gewinn bringt und zum anderen geben sie durch eine gute Aufteilung dem Staat so wenig wie nur gerade möglich davon ab.

Für die Weitergabe von größeren Vermögen an die Nachkommen haben sich im amerikanischen Rechtsalltag zwei bedeutende Sonderformen herauskristallisiert, die den Erblassern, sowohl zu Lebzeiten als auch nach ihrem Ableben, ein großes Maß an Kontrolle über ihren Besitz und dessen weiterer Verfügung erlauben [3]. Mit der ersten Rechtsform erhalten durch die Aufstellung einer "Joint Tenancy" mehrere Personen gleichzeitig das Recht auf Eigentum an einer bestimmten Sache, Immobilie oder auch an einem Geldbetrag. Verstirbt nun einer der Besitzer, so geht dessen Besitzrecht automatisch an die noch verbleibenden Besitzer über (Heiss 151). An diese Schaffung eines Gesamthandeigentums können verbindliche Auflagen geknüpft werden, so daß sich der Besitzer eines Unternehmens auch nach seinem Ableben sicher sein kann, daß der Betrieb auf die von ihm gewünschte Art und Weise weitergeführt wird. In der Realität ist die Erstellung einer Joint Tenancy mit komplizierten Auflagen der jeweiligen Staaten versehen, und es gibt auch verschiedene Formen der Joint Tenancy, wie z.B. die "Tenancy by the Entirety" für Ehepartner. Der größte und bedeutendste Vorteil der Joint Tenancy ist allerdings, daß diese Rechtsform nicht durch ein Probate Verfahren überprüft werden muß und daß sie sich auch über die Bestimmungen eines Testaments hinwegsetzt (Heiss 150 - 151). Auch wenn diese etwas komplizierte Rechtsform hier nicht bis ins Detail erklärt werden kann, sie dient durchaus dazu, bei geschickter Ausarbeitung auch einen relativ großen Besitz ohne große Zeitverzögerung, erhebliche Steuer- und Notargebühren und vor allem unbemerkt vor den Augen der Öffentlichkeit und etwaiger Konkurrenten auf die eingesetzten Erben übergehen zu lassen.

Die zweite und wohl bekannteste Sonderform des Common Law ist der "Trust". Eigentlich ist diese Rechtsform gar keine Erfindung der Neuzeit, denn der Trust hat seinen Ursprung im mittelalterlichen England, wo es den Adligen mit seiner Hilfe gelang, das geltende Primogeniturrecht bei Bedarf zu umgehen (Heiss 153). Im Deutschen wird der Trust oft als besonderes Treuhandvermögen übersetzt, was sein Anliegen schon recht gut verdeutlicht: Vereinfacht gesehen, stehen in einem Trust mehreren Personen Besitzrechte zu, wobei eine Person den Vermögensgegenstand als Treuhänder verwaltet und auch über ihn bestimmen kann, während die weiteren Besitzer an den gewonnen Erträgen aus der Verwaltung beteiligt sind (Kossmann 127 - 132). Es ist dabei zu beachten, daß der Trusterrichter sein Eigentum an dem Vermögensgegenstand formell an den Treuhänder abtritt. Der Begünstigte, also z.B. der Erbe eines Trusts, erhält ab einem bestimmten Zeitpunkt die Ausschüttung der Erträge (153). Natürlich gibt es auch hier die verschiedensten Formen von Trusts, besonders wenn es um die Regelung von großen Vermögen geht. So werden z.B. fast alle Erben der großen Familiendynastien durch das Einkommen der Trusts ausbezahlt. Bei der Rockefeller Familie kümmert sich eine ganze Truppe von Finanzberatern nur um die sechs verschiedenen Trusts, die einen geschätzten Wert von derzeit etwa 2,3 Milliarden Dollar haben (Packard 93 - 94). Ein großer Vorteil der Trusts ist ihre Flexibilität. So können auch individuelle Anforderungen an manche Erben gestellt werden, wie z.B. eine Sonderauszahlung bei der Hochzeit einer Erbin oder wenn sich ein Erbnehmer durch einen Unfall oder eine Krankheit in finanziellen Engpässen befindet, aber man kann auch eine Verringerung des Erbausschusses veranlassen wenn etwa die Noten eines Erben im College unter einen bestimmten Durchschnitt rutschen (Scroggin 1 - 4). Zusammenfassend lassen sich die Vorteile eines Trusts, egal von welcher Größe oder speziellen Ausrichtung wie folgt darstellen: Ein gut angelegter und flexibel gestalteter Trust kann über eine lange Zeitspanne enorme Erträge erzielen und stellt so ein stabilen Teil des Estate Plans dar, außerdem wird das Probate Verfahren vermieden, der Trust-Errichter behält während seiner Lebenszeit eine Kontrolle über sein Vermögen, da er den Trust widerrufen kann, und nach dem Tode bleibt die Vermögensaufteilung absolut vertraulich und diskret (Heiss 154).

Überblick über die heutigen Erben von großen Vermögen,deren Umgang mit diesem Erbe und dessen Verwendung

Nach den rechtlichen Möglichkeiten und Vorschriften für Erblasser, wie sie ihren Besitz an die Erben weitergeben können, stellt sich jetzt die Frage, wer die Erben von großen Vermögen heute sind. Die amerikanische Zeitschrift "Forbes Magazin" begann 1982 damit, regelmäßig eine Liste der vierhundert reichsten Amerikaner aufzustellen. Die "Forbes 400" sind zu einem festen Begriff in den USA geworden und die alljährliche Aufstellung des "Who is Who" der finanzstarken Persönlichkeiten wird nicht nur von Außenstehenden und Journalisten mit Spannung erwartet, auch die aufgeführten Personen fühlen sich gewissermaßen verpflichtet, in der Liste verzeichnet zu sein [4] (Michaels 1). Da dem Magazin seit Beginn der Aufstellung keine groben Fehler nachgewiesen wurden und da sich keine der Personen über ein Erwähnung bzw. eine ausgebliebene Nennung in der Liste beklagte, kann davon ausgegangen werden, daß die angegebenen Zahlen der Realität sehr nahe kommen (Hacker 93). Zusätzlich zu den Informationen aus den Forbes 400 der Jahre 1996 bis 1999, dient das Buch "Money" von Andrew Hacker als wichtige Quelle, da dieser die Erben von großen Vermögen in verschiedene Gruppen einzuteilen versuchte.

Bevor man sich mit der ersten Gruppe von Erben beschäftigt, sei vorweggenommen, daß rund die Hälfte aller großer Vermögen in den USA "self-made" ist, dazu zählen auch die derzeit reichsten Personen in den USA, Bill Gates und sein Partner Paul Allen, denen der Softwaregigant Microsoft gehört.

Hört man die beiden Begriffe "Reichtum" und "Erbe", so assoziieren viele damit wohlhabende Familiendynastien, deren Namen im öffentlichen Gedächtnis verfestigt sind und die meistens auch historische Bedeutung haben: Allen voran die Familie von John D. Rockefeller, als Sinnbild des amerikanischen Reichtums schlechthin, aber auch Namen wie Astor, Vanderbilt, Carnegie und Du Pont treten in Erscheinung. All diese Familien belegen wir gerne mit dem Prädikat "alt" und doch muß bemerkt werden, daß es zum Teil große zeitliche Unterschiede zwischen der Entstehung der Vermögen gibt: Rockefellers Vermögen entsteht z.B. kurz nach seinem Einstieg ins Ölgeschäft in den 1870er Jahren, während das Du Pont Vermögen bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden ist (Hacker 94). Tatsächlich ist es jedoch so, daß viele dieser Dynastien heute nicht mehr zu den reichsten Familien des Landes gehören, was mehrere Gründe hat: Zum einen steigt die Höhe der privaten Vermögen immer schneller an, und so kann sich auch ein ehemals "gigantisches" Vermögen wie das von John D. Rockefeller oder der Carnegie Familie heute nicht mehr mit den ersten Positionen der Forbes Liste messen [5]. Es ist also nicht verwunderlich, daß sich Familien wie die berühmten Astors, Vanderbilts und auch die Morgans heute nicht mehr auf der Liste befinden (Appendix B,D). Zum Anderen zählen viele Familiendynastien über die Jahrzehnte hinweg bereits so viele Nachkommen, daß auch ein mit Bedacht angelegtes Vermögen immer mehr zerkleinert und aufgeteilt werden muß (Hacker 99). Ein Beispiel hierfür geben wieder die Rockefellers mit weit über einhundert erbberechtigten Nachkommen, von denen nur noch David Rockefeller Sr. im hohen Alter von 84 Jahren unter den reichsten 25 Amerikanern auf der 1999er Liste zu finden ist (Appendix C ). Logischerweise gelingt es somit auch immer weniger Dynastien über die Jahre hinweg auf der Forbes Liste zu verbleiben: Während die Aufstellung von 1996 noch 142 reiche Familien verzeichnet, werden drei Jahre später nur noch 39 Familien aufgeführt (Appendix D), darunter auch elf Dynastien die sich bereits seit mehreren Jahren in die Top 50 der Liste eintragen können (B). Als eine herausragende Ausnahme muß hier die Du Pont Familie erwähnt werden, deren Vermögen auf eine Schießpulverfabrik in Delaware des Jahres 1802 zurückgeht und die sich seit der ersten Aufstellung [6] des Forbes Magazins beharrlich in den Rängen der reichsten Amerikaner hält. Auch unter den fünfzig reichsten Einzelpersonen finden sich 1999 nur noch eine Handvoll Nachkommen bekannter Familien, wie z.B. einzelne Mitglieder der Levi-Strauss Familie, Erben des Zeitungsmoguls Hearst, der Mellon Familie, die Rockefellers und Du Ponts, sowie ein Nachkomme des Lebensmittelproduzenten Heinz.

Die zweite und wohl bedeutendste Gruppe von reichen amerikanischen Erben setzt sich aus den Nachkommen und Witwen von erst kürzlich verstorbenen "self-made" Millionären und Milliardären zusammen. Die Vermögen dieser Männer entstanden fast alle in der Mitte des 20. Jahrhunderts in relativ kurzer Zeit und sind auch ungewöhnlich hoch, da sie entgegen denen der alten Familiendynastien nicht nur auf der Produktion von bestimmten Gütern oder der Verwertung von Rohstoffen basieren, sondern vor allem im Bereich von Finanzgeschäften, Investitionen und Dienstleistungen entstanden sind (Hacker 92). Bestes Beispiel sind hierfür die Nachkommen des 1992 verstorbenen Gründers der Wal-Mart Warenhandelskette Sam Walton. Von den ersten "five-and-dime stores", die Walton in den 1940er und 50er Jahren in Arkansas gründete, über die Eröffnung des ersten Wal-Marts 1967, wuchs das Unternehmen bis zum Tod des Familienoberhaupts mit mehr als 3000 internationalen Filialen zur größten Einzelhandelskette der Welt heran (Brown 25). Seine Witwe Helen R. Walton sowie die Kinder erhielten je 17 Mrd. Millionen Dollar, was ihnen den sechsten Platz unter den reichsten Amerikanern auf der Forbes Liste des Jahres 1999 einbringt (Appendix A). Weitere Beispiele für solche Begünstigten sind auch die Witwe des Mc Donald´s Begründers Ray Kroc, die an jedem verkauften Burger nach wie vor ein paar Pennies verdient (Hacker 91), sowie als weitere bekannte Namen die Nachkommen des Grußkarten-Herstellers Hallmark, der Erbe der Textilkette Gap, sowie Richard E. Marriottaus der Hoteldynastie.

Die dritte markante Gruppe von Erben aus Hackers Einteilung besteht aus Nachkommen, die neben dem finanziellen Erbe auch die Leitung des Unternehmens oder zumindest einem Teil davon übernommen haben. In diese Gruppe fallen z.B. Mitglieder der Johnson Familie als Produzenten von Putz- und Kosmetikprodukten, die Söhne des Kaugummiherstellers Wrigley und auch die beiden Mars Brüder, denen das gleichnamige Süßwarenimperium gehört (Hacker 89). Informationen über diese Erben sind besonders schwer zu erlangen, da sie zwar oft den berühmten Familiennamen weitertragen, aber kaum in den Medien präsent sind und nur sehr selten das Familienimperium alleine führen, sondern meist eingebunden sind in eine Gruppe von anderen Vorstandsmitgliedern oder Managern. Einige Ausnahmen wären hier Rupert Murdoch, der den ursprünglich australischen Zeitungskonzern seines Vaters zu einem weltweiten Medienimperium ausbaute und zweifellos bekannter ist als dieser. Außerdem Walter Annenberg, der zwar auch einen reichen Vater hatte, aber durch die Herausgabe von Zeitschriften wie "TV Guide" und das Teenagermagazin "Seventeen" noch vermögender wurde (Hacker 90). Bei dieser Gruppe ist besonders auffällig, daß hauptsächlich männliche Nachkommen mit der Leitung eines Konzerns betraut werden aber so gut wie keine Frauen.

Natürlich können diese drei aufgeführten Gruppen kein genaues Bild von den verschiedenen Erben großer Vermögen geben, allerdings ist es so wenigstens möglich, einige konkrete Beispiele aus einer Masse von Nachkommen oder Familienmitgliedern aufzuzeigen. Ohne Zweifel gibt es auch finanzstarke Erben, die in keine dieser drei Gruppen fallen, hier ist unter anderem an die Nachkommen von berühmten Hollywood- oder Musikstars zu denken, ein Beispiel hierfür wäre die Tochter des King of Rock 'n Roll Lisa Marie Presley, die mit ihrer Volljährigkeit fast das gesamte Vermögen von mehreren Milliarden Dollar ihres Vaters erbte (Brown 4). Allgemein läßt sich über die Erben von großen Vermögen allerdings feststellen, daß sie überwiegend von weißer Hautfarbe sind. Auf der Forbes Liste von 1996 lassen sich z.B. nur fünf Afroamerikaner finden, unter ihnen Berry Gordy, Gründer von Motown Records und die beiden Entertainer Oprah Winfrey und Bill Cosby (Hacker 94). Außerdem gibt es im direkten Vergleich immer noch etwas mehr männliche Erben als weibliche, ein schmaler Prozentsatz von ihnen sind Immigranten, die später die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen, so z.B. auch Rupert Murdoch (Hacker 94) und zuletzt läßt sich noch feststellen, daß die regionale Ansiedlung von Reichtum zwischen West- und Ostküste noch relativ ausgeglichen ist, dafür aber auch immer mehr Vermögen in die Liste Einzug erhalten, die ganz klar dem New Money zuzuordnen sind [7].

Nachdem nun ein grober Überblick über die Zusammensetzung der Erben von großen Vermögen geben wurde, muß anschließend aufgezeigt werden, wie diese Menschen mit ihrem Reichtum umgehen. Auch hier steht man bei der Quellenfindung einigen Problemen gegenüber, da viele Autoren nur allgemeine Beispiele erwähnen und kaum Namen nennen. Um dieses Mängel auszugleichen, wurde das Werk die "Ultra-Reichen" von Vance Packard hinzugezogen, der bei seinen Berichten vielleicht nicht immer die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens genau einhält, dessen Interviews mit verschiedenen Erben allerdings zu Illustrationszwecken sehr hilfreich sind. Bei der Vielzahl von individuellen Charakterzügen und Einstellungen gegenüber Geld ist es fast unmöglich Kategorien zu bilden, in die sich die einzelnen Erben einordnen lassen. Trotzdem soll hier versucht werden, anhand von Merkmalen, die vielen Nachkommen reicher Personen oder Familien gemeinsam sind, eine Kategorisierung aufzustellen. Von der Großzahl der Erben muß angenommen werden, daß sie sich mit ihrer Situation wohl nicht weiter auseinandersetzen und ihren Wohlstand auch nicht besonders hinterfragen (Lapham 106 - 108). Natürlich ist diesen Menschen bewußt, daß sie gegenüber anderen privilegiert sind und daß ihnen ihr Wohlstand einen Lebensstil ermöglicht, den andere Menschen trotz Arbeit und großem persönlichen Engagement vielleicht nie erreichen werden. Die meisten Erben können sich dank regelmäßiger Auszahlungen aus einem Trust, Aktienanteilen oder Immobilien in der Sicherheit wägen, daß sie bei einem nicht allzu ausschweifendem Lebensstil wohl nie in eine soziale Bedürftigkeit abrutschen werden und daß ihnen eine gute Ausbildung an den angesehenen Schulen und Universitäten des Landes zugesichert ist. Dies begünstigt wiederum die Suche nach einer Arbeitsstelle, unabhängig ob diese im Familienunternehmen oder in einer anderen Branche angesiedelt ist (Miller 152 - 154). Andererseits kann ein berühmter Name natürlich auch einen gewissen Druck ausüben, schließlich kann sich kein Rockefeller oder Carnegie den Assoziationen mit ihrem Namen entziehen. Diesem Argument muß man allerdings fairer Weise hinzufügen, daß man sich als Mitglied einer betuchten Familien nicht unbedingt in allen Lebenslagen neu etablieren muß, denn daß so mancher Name und ein dickes Bankkonto die sprichwörtlichen Türen öffnen ist allgemein bekannt.

Neben dem als "normal " beschriebenen Verhalten der meisten Erben gibt es allerdings auch ein paar extreme Verhaltensweisen Zum einen ist da die Klage von einer nicht gerade kleinen Zahl von Erben, die ihren Wohlstand als "Fluch" bezeichnen, dem sie zu entrinnen versuchen (Lapham 105 - 106). Hier wird z.B. Fitz Eugene Dixon jr. zitiert, ein mehrere hundert Millionen Dollar schwerer Erbe eines Großunternehmens, der einem Reporter des Forbes Magazin erklärte, daß er seine Jahre als einfache Lehrkraft einer kleinen Schule als die erfülltesten seines Lebens empfindet [8] (Packard 86). Ein oft genannter Grund für die Ablehnung eines Vermögens ist auch der berechtigte Vorwurf vieler Erben, daß die meisten Menschen nicht mehr an der Persönlichkeit des Erben selbst interessiert sind, sondern diesen allein wegen seiner oder ihrer finanziellen Situation schätzen. Unterstützt durch "falsche Freundschaften" und vielen persönlichen Enttäuschungen, begründet auch Hugh Bancroft jr., der Enkel von Clarence Barron, Herausgeber des Wall Street Journals und Barrons Magazine, seine Entscheidung, sich völlig von seinem Erbe zurückzuziehen und dieses ohne weitere Bezüge an seinen Sohn zu vermachen (Packard 88 - 89). Auch eine Rockefeller-Erbin erzählt über starke Identitätskrisen und persönliche Enttäuschungen, die sie schließlich dazu veranlaßten, ihren Nachnamen abzulegen; sie praktiziert nun unter neuem Namen als erfolgreiche Psychotherapeutin in New York (Packard 96 - 97).

Konträr zu den vorangegangenen Beispielen gibt es auch viele Erben die sich mit ihrem Namen oder dem erwirtschafteten Vermögen ihrer Vorfahren gut identifizieren können und daraus auch eine

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große Motivation für eigene Erfolge ziehen. So geben z.B. die Söhne des Mitbegründers der Home Depot Warenhäuser an, daß sie ihr Vater Kenneth Langone stets dazu angehalten hat, ihre eigenen geschäftlichen Erfolge

zu erzielen und sich nicht allein auf ihr Erbe zu verlassen. Dies hat heute zur Folge, daß ein Sohn der Geschäftspartner seines Vaters ist, ein anderer hat sich als freier Photojournalist etabliert und der Dritte baute sich mit dem Export von französischen Keramikwaren ein eigenes Unternehmen auf (qtd. in Wechsler Linden and Machan 3). Neben diesen Erfolgsgeschichten, scheitern auch viele Erben mit ihren eigenen Betrieben und Investitionen. Allerdings gibt es hier einen bedeutenden Unterschied zu anderen Unternehmen, daß nämlich bei den wohlhabenden Erben nicht immer sofort die eigene Existenz gefährdet ist (Packard 88 - 90). Einer sehr kleinen Gruppe von Erben scheint die Identifikation mit dem Namen und das erwirtschaftete Ansehen ihrer Vorfahren in soweit zu genügen, daß sie dieses zur Finanzierung ihres gesamten Lebensunterhalts benutzen, ohne weiteres Engagement zu zeigen. Leider finden sich hierfür in keinem der verwendeten Bücher konkrete Beispiele, was nicht weiter verwunderlich ist, da dieses Verhalten in der amerikanischen Kultur keine Duldung findet (Hacker 90). Interessant ist hier das Ergebnis einer Studie von 1992, die von Wirtschaftswissenschaftlern und Finanzspezialisten der Universität Princeton durchgeführt wurde: Durch die Überprüfung von Steuererklärungen fand das Team heraus, daß fast zwanzig Prozent aller Personen, die mehr als 150,000 Dollar erbten, das Arbeiten aufhören und sich ganz auf die Finanzierung durch ihr Erbe verlassen (Wechsler Linden and Machan 3).

Des weiteren haben sich viele Erben heute bereits persönlich und beruflich so weit von den Familienunternehmen entfernt oder sind nur weitschichtige Verwandte und Nachkommen eines Vermögensbegründers, daß sie so gut wie keinen emotionellen Bezug und Einfluß auf ihr Erbe mehr haben. Gängiges Beispiel sind auch hier wieder zwei der großen alten Familien Amerikas, die Du Ponts und die Rockefellers. Bei der ersten Familie profitiert bereits die sechste Generation von dem Vermögen, und seit den 1960er Jahren befindet sich kein Du Pont mehr im Aufsichtsrat der verschiedenen Unternehmen (Lenzer and Shook 1). Die Verwaltung des Rockefeller-Trusts arrangiert eine alljährliche Familienzusammenführung im Familienstammsitz Pocantino Hills, um allen Erben der Familie die Möglichkeit zu einem Treffen zu geben (Packard 94). Die Du Ponts übertrumpfen dieses fast gezwungene Festhalten an Familienbanden noch damit, daß sie eine interne Familienzeitschrift erstellen, in der alle Nachkommen zu Nachschlagezwecken schriftlich aufgeführt sind (Lenzer and Shook 2).

Wie bereits erwähnt, wuchsen die Privatvermögen in Amerika nach dem 2. Weltkrieg mit einer noch die dagewesenen Schnelligkeit an und tun dies teilweise immer noch. Genau zu diesem Zeitpunkt begann auch die Philanthropie in den USA zu boomen und zu gedeihen, was hauptsächlich daran lag, daß es durch die erhöhten Staatsausgaben während des New Deals und dann die erhöhten Steuerabgaben zu Kriegszeiten viel schwieriger und kostspieliger wurde, den erworbenen Reichtum an seine Nachkommen weiterzugeben (CQ Researcher 56). Die Idee, einen Überschuß an Vermögen wieder der Gesellschaft zuzukommen lassen, ist dabei nicht neu (Dowie 70 - 71), allerdings spendeten viele Geldgeber natürlich auch aus schlechtem Gewissen und weil sie es als wohlhabende Bürger einfach als ihre Pflicht ansahen, andere an ihrer privilegierten Situation teilhaben zu lassen. Folglich hat Amerika nicht nur die meisten vermögenden Menschen der Welt, sondern zählt auch mehr als 40,000 Foundations, die 1996 bereits über zwölf Milliarden Dollar für unterschiedlichste Zwecke spendeten (Appendix E). Die Philanthropie hat unter den extrem Reichen in Carnegie und Rockefeller früh zwei ihrer größten Befürworter gefunden, denn beide Männer gründeten jeweils mehrere Foundations und vermachten diesen einen beträchtlichen Teil ihres Gesamtvermögens (CQ Researcher 56). Heute kontrollieren die größten 100 Foundations mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens von etwa 270 Milliarden Dollar, unter ihnen so berühmte Stiftungen wie das Lily Endowment oder die Pew Charitable Trusts, die auch regelmäßige Spenden von vielen Familienerben erhalten (51). Überhaupt wurden seit den 1980er Jahren mehr als ein Viertel aller Stiftungen gegründet, besonders kleinere Foundations von Einzelpersonen , so daß mittlerweile einen ganze Branche entstanden ist, die sich mit diesem Thema beschäftigt und von ihm lebt. Es gibt die verschiedensten schriftlichen Ratgeber, des weiteren Spezialisten, die sich besonders auf die Erstellung von speziellen Trust zu diesem Zwecke konzentriert haben, Internetforen und Komitees die sich der Überwachung der Philanthropie verschrieben haben, wie z.B. das Council on Foundations (Whole Earth Magazine 56 - 59). Bei all den Vorzügen, die die Philanthropie mit sich bringt, muß auch die steigende Zahl von Kritikern erwähnt werden, die den Foundations vorwerfen, weniger Spenden auszugeben, als sie durch Geldanlagen jährlich einnehmen(CQ Researcher 51).

Einstellung der amerikanischen Gesellschaft zu vererbten Vermögen und ihre Bedeutung für eine Demokratie

Im letzten Teil der Arbeit soll vor allem die Bedeutung von generations-übergreifenden Vermögensübergängen für eine Demokratie betrachtet werden. Als Ausgangspunkt muß hierfür zuerst die allgemeine Sichtweise der amerikanischen Gesellschaft auf große Vermögen und deren Fortführung durch die Nachkommen betrachtet werden. Peter Newcomb, Supervisor der Forbes 400 Listen, faßt die Einstellung der Amerikaner zu großem Reichtum mit einem Satz sehr treffend zusammen: "Americans are ambivalent about wealth, they admire it and desire it, yet find it vaguely un-American!" (qtd. in Micheals 1). Amerikaner trennen ziemlich eindeutig zwischen arm und reich und ordnen sich auch selbst ohne große Scheu einer Kategorie zu. Wie bereits zu Anfang erwähnt, ist der Traum von persönlichem Reichtum tief in der Amerikanischen Kultur verwurzelt und so verschwendet der durchschnittliche Amerikaner auch nur wenig Zeit damit seine reichen Mitbürger zu beneiden (Hacker 101). Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn ein Vermögen in der Öffentlichkeit als weitgehend "clean" gilt, also nicht durch illegale Geschäfte erreicht oder mit Kriminalität in Verbindung gebracht wird [9] (Lapham 90 - 95). Die Akzeptanz von hohen Vermögen und auch Einkommen basiert hauptsächlich auf dem Gedanken, daß ja wiederum die Gesellschaft von den Diensten der einzelnen Personen oder den erschaffenen Produkten profitiert, man hält also die alte Vorstellung eines Austauschs zwischen der Gesellschaft und dem Einzelnen beständig aufrecht (Hacker 103). Folglich zeigen die Amerikaner auch relativ wenig Abneigung gegenüber Personen, die ihren Wohlstand einem Testament zu verdanken haben (102). Andererseits sollten alle Amerikaner die gleiche Ausgangschance haben. Als Folge aus diesem Konflikt hat sich das ungeschriebene Gesetz verfestigt, daß von sehr großen Vermögen neben den Erben auch andere Menschen profitieren sollen, vor allem solche, die weniger privilegiert sind, was sich besonders in dem großen Einsatz amerikanischer Reicher im Bereich der Philanthropie zeigt.

Mit diesem zentralen Gedanken über die Weitergabe und Verwendung von großen Vermögen läßt sich auch eine relative neue Entwicklung in der Verteilung der Erbmasse erklären. Unter der Überschrift "You are on your own", veröffentlichte das Forbes Magazin 1997 eine Reihe von Artikeln, die sich mit der Situation reicher Erben beschäftigten [10]. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf Elternteile gelegt, die immer öfter davon abgehen, ihren Kindern große Anteile der oft extrem hohen Vermögen zu hinterlassen. Der Sozialkritiker Nelson Aldrich führt dies auf einen schleichenden gesellschaftlichen Wandel zurück, bei dem der Neue Reichtum eine bessere Bewertung erfährt: "Much of the Old Money's aesthetic depends on the belief that membership in the class is a gift beyond achievement (...) but for New Money nothing outclasses achievement!" (qtd. in Wechsler Linden and Machan 1). Dieses Argument steht in einer Reihe mit den Aussagen vieler reicher Persönlichkeiten, die trotz eines enormen Besitzes weiterhin bestrebt sind, große Gewinne zu erzielen, sei es nun aus Gewohnheit, einem selbst auferlegtem Arbeitspensum oder weil sie das Adrenalin beim Abschluß eines Geschäftes verspüren müssen (Michaels 1). Diese "Moral", selbst etwas zu erreichen, möchten sie auch an ihre Nachkommen weitergeben, und so gibt es genügend Beispiele aus den letzten paar Jahren, bei denen die eigenen Nachkommen nur mit einem Bruchteil des Gesamtvermögens bedacht wurden: Dennis Bakke, Mitbegründer der AES Corporation (Energiegewinnung) vermachte jedem seiner fünf Kinder je 500,000 Dollar in Aktienanteilen, während die restlichen 500 Millionen Dollar in karitativen Zwecken aufgehen sollen. Damit übergibt er seinen Nachkommen zwar ein finanzielles Polster, er möchte aber, daß sie ihren Erfolg aus eigener Motivation begründen und ihren eigenen Lebensweg suchen (Wechsler Linden and Machan 4). Ebenso denkt der vielfache Milliardär und Vorsitzende der Allen & Co Investment Firma, Herbert Allen: "If you are the child of wealthy parents and your first paycheck is totally meaningless, you've had something taken away from you!" (3). Ob diese Ansätze zu einem gängigen Schema für die Behandlung von großen Vermögen in der Zukunft werden wird, bleibt abzuwarten, es kann aber festgestellt werden daß die Begründer von neueren Vermögen sich durchaus mit den Vor- und Nachteilen ihrer Situation beschäftigen und ihren Kindern den Weg zu ihrem persönlichen Erfolg und Wohlstand nicht allein durch ein hohes Erbe ermöglichen wollen.

In den nächsten Jahren werden allein in den USA rund zehn Trillionen Dollar an persönlichem Besitz von einer Generation in die nächste übergehen (Dowie 70), eine Summe die kaum zu ermessen ist, deren Großteil aber nach wie vor innerhalb der Reichen und Superreichen aufgeteilt werden wird. Der ständig wachsende "income gap" ist heute nicht mehr zu leugnen , zum einen steigen die Vermögen und Einkünfte der Reichen immer schneller und höher an, während es auf der anderen Seite immer mehr Amerikaner gibt, die nahe am oder unter dem Existenzminimum leben. Seit den 1970er Jahren steigt das Einkommen der reichsten 20% der Bevölkerung stetig an, während die Ärmsten der verbleibenden 80% einen immer geringeren Anteil des nationalen Einkommens erhalten und die dazwischen liegende Mittelschicht sich stetig verringert (Harrigan 18 - 19). Es gibt immer mehr Mitglieder der Gesellschaft, die bereits auf Krankenversicherung und eine fundierte Ausbildung verzichten müssen und somit auch keinen Gedanken an die finanzielle und materielle Absicherung ihrer Nachkommen verwenden können. Im nächsten Schritt führt dieser Teufelskreis von wirtschaftlicher Not zu einer sinkenden Beteiligung der ärmeren Bevölkerung am politischen Geschehen, was die Qualität einer Demokratie erheblich beeinträchtigt (Harrigan 19 - 21).

Im Sinne der demokratischen Theorie sind Wahlen das Medium mit denen alle Bürger, unabhängig von ihrem sozialen und finanziellen Status, einen direkten Einfluß auf die Politik ihres Landes nehmen. Durch die verringerte Wahlbeteiligung hat die ärmere Bevölkerungsschicht jedoch die schlechtere Ausgangsposition, hinzu kommt, daß das Wahlsystem in den USA überdurchschnittlich von Geldspenden beeinflußt und auch abhängig ist. Ohne Zweifel werden von wohlhabenden Bürgern nur solche Politiker, egal ob auf lokaler oder nationaler Ebene unterstützt die ihrem Lebensstandard gegenüber loyal sind, keinen ernsthaften Eingriff in das soziale Gefüge planen und auch den Steuersatz nicht groß verändern. Seit Jahren herrscht in den USA eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern einer "progressive taxation", die sich für höhere Steuersätze von Wohlhabenden aussprechen und den Verteidigern des bestehenden Steuersystems, deren Motiv auch in den relativ niedrigen Steuersätzen bei Erbangelegenheiten liegt (Nocera 286 - 287). Nicht nur daß wohlhabende Mitglieder der Gesellschaft einen größeren Einfluß auf ihre Umwelt ausüben können, durch ihre finanzielle Lage können sie sich auch sehr oft eine bevorzugte Position einfach erkaufen. Ein Beispiel hierfür sind die enorm hohen Studiengebühren an renommierten amerikanischen Schulen und Universitäten. Obwohl das Streben nach Gleichberechtigung tief in der amerikanischen Kultur verankert ist, verstärkt sich das Argument von einer Bedrohung der Demokratie durch hohe Erbschaften zunehmend.

Bibliographie

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Masci, David. "Role of Foundations." Congressional Quarterly Vol. 9 No. 3 (1999).
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Heiss, Franz Ludwig. "Estate Planning: So machen es die Amerikaner." Kursbuch Nr. 135. Berlin: Rowohlt, 1999: 145 - 157.
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Lapham, Lewis, H. Money and Class in America. New York: Weidenfeld & Nicolson, 1988.
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Wechsler Linden, Dana and Machan, Dyan. "The Disinheritors." Forbes Magazine, Online www.forbes.com (May 1997).

Literaturverzeichnis

  1. Gleichzeitig muß hier angemerkt werden, daß Frauen und Kindern durch diese Veränderungen immer mehr Besitzrechte zugesprochen wurden und sich die Position des Patriarchen langsam zu verändern begann, so daß bereits auch an Frauen größere Vermögen vererbt wurden (Shammans et al. 5 - 6). [zurück]
  2. Dies bedeutet, daß der Erbe dem Erblasser in allen Rechtsvereinbarungen rechtlich nachfolgt. Der Erbnehmer wird sofort Schuldner oder auch Eigentümer und kann ohne weiteres über sein Erbe verfügen, bzw. kann auch belangt werden (Heiss, 145 -146) [zurück]
  3. Auf eine genauere Beschreibung des Testaments soll hier verzichtet werden, da es von den Anforderungen her dem deutschen Gegenstück sehr ähnlich ist, bis auf zwei Ausnahmen: Die Amerikaner kennen keinen Pflichtrechtsteil und des weiteren muß das Testament wie bereits erwähnt das Probate Verfahren durchlaufen (Hepp 6 - 20). [zurück]
  4. Forbes erhält sein Informationen neben allgemein veröffentlichten Zahlen, wie z.B. Aktienanteile oder Schätzungen über den Wert von Immobilien und jährliche Gewinne lokaler Unternehmen, außerdem noch durch Finanzjournalisten, Sicherheitsdienste, Vermögensverwalter und "Insider" der wohlhabenden Gesellschaft (Hacker 93). [zurück]
  5. Der geschätzte Gesamtwert von 1.2 Billionen Dollar aus John D. Rockefellers Vermögen würde in der heutigen Zeit eine Summe von etwa 12 Billionen Dollar entsprechen (Hacker, 92), diese Summe ist allerdings sehr weit entfernt von den etwa 85 Billionen Dollar eines Bill Gates . [zurück]
  6. Bereits ab 1918 stellte das Forbes Magazin eine Übersicht der reichsten Amerikaner auf (Hacker 92), diese Aufstellung wurde allerdings nicht durchgehend weitergeführt und kann deshalb nicht mit den Forbes 400 gleichgesetzt werden (www.forbes.com) [zurück]
  7. Letztere Angaben finden sich alle im Internet unter der Adresse www.forbes.com/tool/toolbox/rich400., indem man die verschiedenen Oberbegriffe in den Suchmodus eingibt, bzw. die Forbes 400 Listen der letzten Jahre vergleicht. [zurück]
  8. Um der Aussage von Dixon jr. gegenüber einem Reporter mehr Bedeutung beizumessen, soll hier noch erwähnt werden daß Dixon sich in den folgenden Jahren intensiv als Philanthrop betätigt hat (Packard 87) [zurück]
  9. Um den Vorwurf zu entkräften daß ein beträchtlicher Anteil des alten Familienreichtums in Amerika auf die Zeit der "Robber Barons" zurückgeht, muß angemerkt werden das sich im Laufe der Jahrzehnte viele dieser Familien stark im Bereich der Philanthropie engagiert haben, was ihnen das Ansehen der Gesellschaft erbrachte und man deshalb über die tatsächlichen Ursprünge der Reichtümer gerne hinwegsieht. [zurück]
  10. Im Internet sind kurze Inhaltsangaben zu diesen Artikel veröffentlicht, die man über www.forbes.com/forbes/97/0519 abrufen kann. [zurück]
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