Julia Fuchshuber Financial Times - der US-Dollar und seine Repräsentation in der amerikanischen Kunst
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"Der Dollar wird immer dann als Thema in der amerikanischen Kunst
aufgegriffen, wenn ein weiterer Schritt in Richtung Abstraktion /
Entstofflichung des Geldes gemacht wird"
1. Einführung: "Die Wirkung von Geld auf den Menschen ist fast so unergründlich, wie die Wirkung von Kunst auf denselben"
"Kunst = KAPITAL" schreibt Joseph Beuys auf einen DM 10 Schein.[1] Drehen wir die Beuys’sche Gleichung um, "KAPITAL = Kunst". In dieser Arbeit geht es um den amerikanischen Dollar in den bildenden Künsten. Spätestens seit dem Abkommen von Bretton Woods im Jahr 1944, als der Dollar das Pfund Sterling als Leitwährung ersetzte[2], wird der Dollar gerne von Künstlern mit dem Überbegriff "Kapital" gleichgesetzt. Der Dollar verfügt über einen Symbolgehalt wie keine andere Währung. Er steht für Stärke, Stabilität, aber auch für die amerikanische Konsum- und Populärkultur. Obwohl der Dollar auch von europäischen und asiatischen Künstlern thematisiert wird, beschränke ich mich auf amerikanische Künstler, da eine umfassende Behandlung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Geld (oder der "Dollar", was in dieser Arbeit auch auch für den Überbegriff "Geld" steht) und die bildende Kunst sind zwei Konzepte, die, genauer betrachtet, sehr viel gemein haben – wie Marc Shell in seinem Buch Art and Money zusammenfasst: "In ways not generally understood, art and money are both at odds with each other and at one."[3] Die Essenz des Geldes liegt in seiner numismatischen Bedeutung, nicht in der sichtbaren Manifestation.[4] Dennoch: Oberflächlich gesehen ist jeder Geldschein und jede Münze ein Kunstwerk. Scheine und Münzen sind Drucke und Prägungen, seriell vervielfältigt. "Der Kunstgattung nach waren Münzen die ersten Multiples und Banknoten die ersten Editionen von Massengraphik."[5]
Kunst und Geld sind Wertträger: Der Geldschein (Schein!) symbolisiert einen vom Staat aufgesetzten Wert – Material und Aufwand stehen in keiner Relation zum erklärten finanziellen Wert.[6] In der Bildkunst bestimmen der Künstler und der Kunstmarkt den Marktwert, wobei der Kunstmarkt als Mikroebene der globalen Wirtschaft verstanden werden kann. Der Warencharakter der Kunst, da ihr ökonmischer Wert in Geld gemessen wird und sie mit Geld erworben werden kann, spricht für eine Affinität zwischen beiden Konzepten.[7] So gesehen ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Dollar öfter in den bildenden Künsten als in der Literatur thematisiert wird.
Allerdings muss zwischen ökonomischem und ästhetischem Wert unterschieden werden, obwohl in beiden Fällen, bei Geldscheinen und beim Gebrauch von Geld in der Kunst, die Grenzen zwischen den beiden Wertvorstellungen verschwimmen.[8]
So wie Kunst zeigt, was Menschen in einer Epoche bewegt, gibt auch die Darstellung von Geld in der Kunst Aufschluss über eine Epoche und deren Verhältnis zu Geld.[9] Die Verwendung des Dollars in der amerikanischen Kunst ist gewissermaßen geschichtlich fundiert. Vom Tauschhandel hin zu elektrischen Impulsen, die heute Transaktionen besiegeln, nähern wir uns der Entstofflichung des Geldes. "Die Geschichte des Geldes ist die seines Verschwindens. Mit jeder Weiterentwicklung verlor das Geld etwas mehr von seiner materiellen Basis."[10] Diese Entwicklung ist auch anhand der Verwendung des Dollars als Thema in der Kunst nachvollziehbar: Immer wenn ein weiterer Schritt in Richtung "Entstofflichung" oder "Abstraktion" des Geldes getan wurde, wurde der Dollar wieder von neuem in der Kunst aufgegriffen. Der Dollar in der amerikanischen Kunst lässt sich so auf drei Epochen eingrenzen, auf die ich im folgenden näher eingehen werde: das Gilded Age (ca. 1850-1900), die 1960er und 70er Jahre, und die Gegenwart. Bei näherer Betrachtung haben diese Epochen einiges gemeinsam, das die Faszination mit dem Dollar in der Kunst erklärt. Anhand einiger für die jeweiligen Epochen exemplarischer Künstler werde ich sowohl die kultur- als auch die kunsthistorischen Transformationen erörtern die einen Wandel in der Auffassung von Geld und Kunst darstellen.
2. Stand der Forschung
Im allgemeinen ist es auffällig, dass gerade in diesem Jahr zwei Ausstellungen zum Thema Geld in der Kunst stattfinden: Das fünfte Element in der Kunsthalle Düsseldorf[11] und Sozialmaschine Geld im O.K Centrum für Gegenwartskunst in Linz. Die dazu erschienenen Ausstellungskataloge befassen sich eher generell mit der Thematisierung von Geld und Wert in der Kunst, nicht spezifisch dem Dollar. Auch in den späten 70er Jahren gab es einige Abhandlungen zum Thema Geld in der Kunst: Jürgen Hartens Ausstellung im Jahre 1978; hier ist der Schwerpunkt die Herkunft und Substanz von Wertvorstellungen, auch in historischer und anthropologischer Sicht.[12] Rolf Italiaanders Geld in der Kunst, 1976 erschienen, und vor allem Joachim Büchners Essay "Geld in der Kunst im Wandel der Jahrhunderte" gibt eine gute historische Zusammenfassung der Darstellung von Geld in der Kunst – allerdings nichts zum Dollar und sehr wenig zur Gegenwart. Marc Shell liefert in Art and Money die bis dato intensivste Auseinandersetzung mit dem Thema Geld und Kunst, vor allem unter dem Aspekt der Unterscheidung zwischen ästhetischen und ökonomischen Wertvorstellungen. Bruce Chambers Essay zum Ausstellungskatalog der Berry-Hill Galleries[13] zieht erstmals den Zusammenhang zwischen dem Erscheinen der Trompe l’oeil Bilder und der kritischen politischen Lage um den Dollar um die Jahrhundertwende. In diesem Jahr erschien eine Ausgabe vom Kunstforum, die sich mit dem Thema Geld in der Kunst sehr umfangreich befasst. Schließlich gibt Lawrence Weschler in seiner Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Künstler J.S.G. Boggs eine Zusammenfassung von der Umsetzung des Dollars in der Kunst.[14]
3. Vom Bild zur Aktion: Der Dollar in der amerikanische Kunst
3.1 Monometallism, Greenbackism, und Free Silver: Das Gilded Age und Trompel’oeil Bilder (1850-1900)
1877, mitten im "Gilded Age", malte William Michael Harnett einen zum verwechseln echt aussehenden $5 Schein. Im späten 19. Jahrhundert wird in den Vereinigten Staaten eine Stilrichtung in der Malerei wieder aufgegriffen, die in Europa schon seit dem 18. Jahrhundert überholt ist: die Trompe l’oeil Malerei. Von 1877 bis 1920 gibt es mehr als zwanzing amerikanische Künstler die den Dollar in Trompe l’oeil Bildern porträtieren – von
einem europäischen Künstler ist kein solches Bild von einer europäischen Währung bekannt.[15] Es handelt sich bei diesen Bildern also um ein typisch amerikanisches Phänomen.
In der politischen Arena der Vereinigten Staaten war bis 1896 die nationale Währung ein wichtiges Thema.[16] 1863 wurde vom Kongress das National Banking System ins Leben gerufen, um dem unübersichtlichen Währungssystem ein Ende zu machen und um eine nationale Währung einzuführen – in den 1850er Jahren war bis zu 40% des Geldes in Umlauf Falschgeld. Als der Bürgerkrieg aber zum wichtigsten politischen Thema wurde, rückten die Debatten um Geld in den Hintergrund; erst ab Kriegsende wurde Geld wieder zum Thema. Die
Greenbacks, eine inflationäre Währung, mit der die Soldaten der Union bezahlt wurden, war wertlos. Gleichzeitig wurde aber ab 1865 eine zweite nationale Währung eingeführt, die die Scheine der Staatsbanken ersetzen sollte. Bis 1896 blieben Diskussionen über Geld auf der politischen Tagesordnung. Der Eckpunkt waren Debatten um den Wertträger: Die Monometallist (oder Hard Money)-Seite wollte den Goldstandard einführen; die Free Silver (Bimetallist, oder Soft
Money)-Seite wollte Gold und Silber als Wertträger akzeptieren; und die Greenbackers wollten weder Gold noch Silber, sondern ein vom Staat definiertes Wertesystem. Bis zur Präsidentschaftswahl von 1896, bei der die Monometallists siegten, galten abwechselnd Gold und/oder Silber als Definitionspunkt.
Zur selben Zeit war Geld haben und halten eine wichtige soziale Aufgabe. Und so kann man davon ausgehen, dass die Trompe l’oeil Maler "[...]shared the passion for monetary debate and the preoccupation with wealth that characterized the society in which they lived."[17] Sie brachten in ihren Bildern zum Ausdruck was die Nation zu der Zeit bewegte.[18]
Warum aber waren gerade die Trompe l’oeil Bilder so beliebt? Miles Orvell, in The Real Thing, argumentiert, dass zur Jahrhundertwende ein Wandel in der Kunst und Kultur der Nation stattfand – vom späten 19. Jahrhundert, wo die Kunst der Imitation und Illusion bevorzugt wurde, hin zum 20. Jahrhundert, in dem Künstler Authentizität anstrebten.
Put simply, the nineteenth-century culture of imitation was fascinated by reproductions of all sorts – replicas of furniture, architecture, art works, replicas of the real thing in any shape or form imaginable.… The culture of authenticity that developed at the end of the century and that gradually established the aesthetic vocabulary that we have called ‘modernist’ was a reaction against the earlier aesthetic, an effort to get beyond mere imitation, beyond the manufacturing of illusions, to the creation of more ‘authentic’ works that were themselves real things. [19]
Im Laufe dieser Arbeit wird auch Orvells These bestätigt.
3.1.1 William Michael Harnett (1848-1892)[20]
Harnett war der erste Trompe l’oeil Maler, der sich auch mit Geld befasste. Nur knappe zehn Jahre konnte er sich dem Thema widmen, bevor der Secret Service ihm 1886 einen Strich durch die Rechnung zog – ihm wurde vorgeworfen, er verstieße gegen die Falschgeldgesetze, obwohl es solche ausdrücklichen Gesetze erst ab 1909 gab.[21] Harnett gab die Dollarmotive auf. Was seine Gemälde von Dollarscheinen betrifft, malte er mit Vorliebe abgegriffene Greenbacks und Shinplasters, Geld das nicht einmal das Papier wert war, auf dem es gedruckt war. Shinplasters waren Scheine, die noch wertloser waren als Greenbacks: Sie sollten Münzen ersetzen, nachdem das Prägen zu teuer wurde. Der Name Shinplaster kommt daher, dass man sagte, dass sie gerade gut genug seien, um sie als Pflaster zu verwenden. Kein Fälscher hätte seine Zeit damit verschwendet, einen Shinplaster zu fälschen; Harnett widmete diesen Scheinen mehrere Ölgemälde.[22]
Shinplaster with Exhibition Label ist ein Beispiel von Harnetts Humor: Der Geldschein ist wie in einem Schaukasten, komplett mit Ausstellungsnummer, präsentiert. Unter dem abgenutzten Schein klebt scheinbar ein Zeitungsschnipsel. Man geht davon aus, dass dies ein paar Worte zu dem Geldschein sind. Betrachtet man das Bild näher, sieht man, dass auch der Artikel aufgemalt ist; nicht nur das, er ist so verschwommen gemalt, dass man kein Wort entziffern kann. Der Schein, der im Bild als Kunstwerk präsentiert ist, wird durch das Medium Bild wirklich zum Kunstwerk – ein frühes Beispiel von Appropriation.
Harnett wurde nach seinem Tod 1892 vom Secret Service freigesprochen. Sie gaben zu, dass sie eigentlich kein Recht hatten ihn strafrechtlich zu verfolgen da es keine Beweise der absichtlichen Täuschung gab. Sein Fall sollte aber andere Trompe l’oeil Künstler davon abschrecken Geldscheine zu malen. Genau das Gegenteil war der Fall: Andere Künstler fühlten sich durch den Urteilsspruch in der Rechtmäßigkeit ihrer Kunst bestätigt.[23]
3.1.2 John Haberle (1856-1933)
Haberle war einer der Künstler, der von Harnetts Urteilsspruch profitierte: Er malte weiter seine Trompe l’oeil Bilder von Dollarscheinen. So zum Beispiel Imitation, ein Bild aus dem Jahr 1887. Harnett selbst sah dieses Bild in einer Ausstellung und lobte die naturgetreue Abbildung: "[…] he had never seen such reproduction anywhere." Haberle bewegt sich bewusst auf der Grenze der Legalität: Durch den Titel des Bildes, Imitation, gibt er es gleich als eine Nachahmung aus. Auch spielt er mit den Grenzen des Bildes: Auf den gemalten Rahmen malt er Briefmarken, ein Bild von Ulysses S. Grant und eine Münze. In der Mitte ist das wahre "Kunstwerk" abgebildet – das was der illusionistische Rahmen präsentiert: Ein Dollar Schein, ein Shinplaster, und eine römische Münze. Wie die Schaukastenatmosphäre bei Harnett, dient der Rahmen hier einerseits dazu, den Eindruck einer musealen Präsentation zu erwecken; andererseits aber grenzt er den Dollarschein deutlich von der Außenwelt ab und entfernt ihn um eine Ebene vom Betrachter.
3.1.3 Otis Kaye (1885-1974)
Otis Kaye ist der letzte aus dieser Tradition stammende Künstler, den ich bespreche. Kaye fällt etwas aus dem zeitlichen Rahmen, den ich setze – er überbrückt die Zeit zwischen dem Gilded Age und den 1960er Jahren. Er verdiente sein Geld als Ingenieur, nicht als Künstler, und malte deshalb für sich und nicht für den Markt. Seine Bilder von Geldscheinen stellte er nie öffentlich aus und verkaufte sie auch nicht - wegen der seit 1909 veränderten Gesetzlage in Bezug auf Falschgeld; die Nachahmung von Geld in jeglicher Form war verboten.[24] In Kayes Schaffen wird der Konflikt einer Kultur deutlich, die von Imitation zur Authentizität strebt.
A Fool and His Money entstand 1929 als Reaktion auf den Börsencrash der die Great Depression in Amerika auslöste. Auch Kaye verlor viel Geld.[25] Deshalb heftete er Spruch auf den $50 Schein: "Otis Kaye said: ‘I grant you that A Fool and His Money Are Soon Parted, ask Wall St.’" Hinter dem Geldschein ist eine Spielkarte mit einem Joker, ein Hinweis auf das Risiko, das Börsenspekulation mit sich bringt. Auch das Wortspiel mit Ulysses S. Grant, der auf dem $50 Dollar Schein abgebildet ist und dem "grant" in Kayes Spruch ist nicht zu übersehen. Der Geldschein ist scheinbar auf die Rückseite eines Gemäldes geheftet, was dem ganzen auch wieder seinen offiziellen Rahmen gibt.
Rembrandt’s Etching of Faust in His Study, Watching a Magic Disk with Two Pennies and a Quarter ist eines von Kayes vielschichtigsten Bildern. Imitation und Authentizität, Realität und Fiktion tragen einen offenen Kampf aus. Kaye kopierte hier einen Rembrandt-Stich (der Titel läßt uns denken es wäre das Original), also ist dies ein Beispiel von Nachahmung. Auf dem Bild befestigt sind drei Münzen, der untere Penny echt, mit Tesafilm daraufgeklebt, die oberen Münzen gemalt, mit gemaltem Tesafilm befestigt. Erstmals taucht hier eine echte Münze in einem Bild auf. Kaye schafft aus dieser Kopie nach einem Original etwas vollkommen Neues.[26]
In den 1950er Jahren zeichnete Kaye naturgetreue Abbildungen von Geldscheinen, in Vorahnung auf Künstler wie J.S.G. Boggs heute.
3.2 Die Entstofflichung von Geld und Kunst: Von Pop zur Conceptual Art
(1960er und 70er)
In den 60er Jahren fand ein weiterer Schritt in Richtung Entstofflichung des Geldes statt: Nach der Einführung von Kreditkarten als Zahlungsmittel wurden diese auch bereitwillig von den Konsumenten verwendet. Eine noch wichtigere Entwicklung fand aber in bezug auf den Goldstandard statt. Um den Dollar während der Depression zu schwächen, hatte Franklin D. Roosevelt 1933 den "Modified Gold Bullion Standard" eingeführt. Hierbei war es nun gesetzlich verboten, Goldmünzen als Zahlungsmittel zu verwenden, und der Wert des Goldes in Bezug auf den Dollar war auf 1/35 Unze pro Dollar festgesetzt worden.[27] In den 70er Jahren fand eine weitere Entwertung statt. Der Vietnamkrieg war für die Vereinigten Staaten ein teures Fiasko, wofür sich das Land auch bei ausländischen Regierungen verschuldete. Laut dem Abkommen von Bretton Woods waren die Vereinigten Staaten verpflichtet, ausländische Währungen, gemessen am Dollar, in Gold umzutauschen. In den frühen 70er Jahren aber stellte sich heraus, dass ausländische Regierungen mehr als fünf mal so viel Dollar besaßen, wie es Gold in der Federal Reserve gab. Richard Nixon ließ im August 1971 die Auszahlung von Gold für Dollars einstellen, was letztendlich auch das Ende des Goldstandards bedeutete.[28] Der Geldschein hatte keine Substanz mehr. Er war jetzt ein Stück Papier, dessen Wert vom Staat bestimmt wurde.
In der Kunst machen sich verschiedne Stilrichtungen bemerkbar, die auch unterschiedlich mit dem Dollar umgehen. Das Prinzip der Authentizität, der Drang etwas Echtes und Originelles zu schaffen, wird stärker. "One might imagine that the concept of authenticity begins in any society when the possibility of fraud arises, and that fraud is at least possible whenever
transactions – whether social, political, commercial, or aesthetic – routinely occur, especially when the society becomes so large that one usually deals with strangers, not neighbors."[29] Anfangs waren Künstler wie Andy Warhol noch objektgebunden und porträtierten den Dollar. Andere, wie Ed Kienholz, thematisierten die Substanzlosigkeit des Geldes und schufen alternative Währungen oder malten Schecks, die auch als
Zahlungsmittel dienen sollten – ein Schritt in Richtung Authentizität. Und schließlich, zum Höhepunkt im Bestreben nach Authentizität, gab es unter den Konzeptkünstlern einige Aktionen, in denen der Geldkreislauf das Kunstwerk ist.
3.2.1 Abbildungen des Dollars: Andy Warhol, Robert Watts, Dorothy Greubenak
In dem Artikel "Paper Money made into Art you can Bank on" aus dem Jahre 1969 schreibt ein Kolumnist des Life Magazine: "Money is generating a new kind of interest in the art world. Always glad to make money out of art, some enterprising artists are now trying to make art out of money." Auch Andy Warhol wird erwähnt: "In 1962 Andy Warhol’s painting Dollar Bills was snapped up by pop art collector Robert C. Scull at its face value – $200. Warhol thought he was making money by exchanging painted dollars for real ones. Today the painting is valued at $20,000, yielding Scull a 10,000% gain on his investment."[30] Für den Autor sind die Bilder reine Investitionsobjekte. Allerdings wird hier ein wichtiger Punkt dargestellt: Der Gegensatz von finanziellem und ästhetischem Wert. Der ästhetische Wert des Bildes treibt dessen finanziellen Wert, im Gegensatz zu dem des echten Geldscheins, in die Höhe. In diesem Sinne sind die
Warhol Dollars exemplarisch, weil sie erstmals diesen Gegensatz bildlich auf einen Punkt bringen.
Andy Warhol porträtiert als erster seit den Trompe l’oeil Künstlern wieder öffentlich den Dollar. Seine Dollar-Bilder, Eighty Two-Dollars Bills, Front and Rear ist ein Beispiel, schlugen wie eine Bombe ein als sie erschienen. Die Pop Künstler beschäftigten sich mit der amerikanischen populären Konsumkultur – was drückte Konsum besser aus als der Dollar selbst? Gleichzeitig fungierte der Dollar, die Leitwährung an der alle anderen Währungen gemessen werden, als Symbol der westlichen Überflussgesellschaft. Durch die Präsentation des Dollars, vollkommen alleingestellt, großformatig und als Kunst and die Wand genagelt, erhöhte er ihn zur Ikone.
Der Mythos des Geldes erfährt zunächst einmal eine künstlerische Ikonifizierung, die jegliche Ökonomie und Moralität hinter sich lässt. Überhöhung bedeutet hier aber dann zugleich auch Brechung – letzlich erweist sich der Mythos des Geldes als völlig banal, und im Grunde genommen sind diese Bilder tautologisch: Geld ist im Warhol’schen Sinne eigentlich doch nur nichts anderes als Geld.[31]
Warhol traut sich aber etwas, was seine Trompe l’oeil Vorgänger nicht gewagt haben: Er vervielfältigt den Dollarschein durch ein Druckverfahren, den Siebdruck. Dadurch verweist er auf die Tatsache, dass auch der Dollar maschinell hergestellt ist und daher keinen Originalwert besitzt. Warhol, indem er sich den Dollar als Motiv aneignet, verleiht ihm genau diesen.
Robert Watts ähnelt Warhol in seiner Auseinandersetzung mit dem Dollar. Die Dollar Bills in a Wood Chest sind Offsetreproduktionen von einem vom Künstler kopierten $1 Schein. Fein säuberlich gestapelt liegen 2500 Scheine in der Holzschachtel. Die Scheine haben noch mehr Objektcharakter als die auf Leinwand verbannten von Warhol. Man kann sie aus der Schachtel herausnehmen, sie zählen, wenngleich sie als Zahlungsmittel genauso wenig in Frage kommen. Watts stellt
aber wieder den "Originalwert" in Frage – seine Scheine, Reproduktionen vom reproduzierten Dollar, sind in dieser Form und diesem Zusammenhang Originale.[32]
Dorothy Greubenak zeigt den Dollar in einem ganz anderen Licht. Sie webte ihn 1965 in einen Teppich. Dass sie gerade einen $2 Dollar Schein als Motiv aussuchte, ist wohl kein Zufall gewesen; sicher kannte sie Warhols Bilder, und so könnte dieser Teppich eine Hommage an Warhol sein. Andererseits aber findet hier eine Entmystifizierung des Motivs statt, da der Dollar nicht in einem Bilderrahmen an die Wand gehängt und bewundert wird, sondern als Teppich auf dem Boden liegen soll: Ein Dollar, auf dem man rumtrampeln kann. Auch Greubenak bekam Ärger mit dem Secret Service wegen dieser Arbeit. Der Teppich wurde konfisziert, kurze Zeit später aber der Künstlerin zurückgegeben.[33]
3.2.2 Echtes und erfundenes Geld: Kunst = Kapital und Kapital = Kunst
3.2.2.1 Kunst = Kapital: Art Cash und Kienholz
Der Dollar wurde in der Kunst nicht nur porträtiert, sondern es wurden auch Alternativen angeboten. Gerade diese Manifestation des Themas Geld in der Kunst offenbart die Parallelen und den Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz.
In den 60er Jahre war man mit dem Erscheinungsbild des Dollars beschäftigt. 1963 hatten die Herausgeber der Zeitschrift Art in America sieben Künstler beauftragt neue Münzen zu entwerfen. Fünf Jahre später folgte die Zeitschrift Avant-Garde, die 19 Künstlern den Auftrag gab, einen neuen Dollarschein zu zeichnen.[34] Ähnlich ist auch das Art Cash. Dabei handelt es sich um eine Kollaboration aus dem Jahre 1971. Andy Warhol, Robert Whitman, Robert Rauschenberg, Tom Gormley, Red Grooms und Marisol entwarfen Dollarscheine in willkürlichen Beträgen: $1, 3, 12, 24, 51 und 88. Durch solche Aktionen wird der Gegensatz von Kunst = Kapital und Kapital = Kunst besonders deutlich.
Die radikalste Interpretation dieser Dichotomie – und ein Schritt in Richtung Authentizität – stammt von Edward Kienholz. In den frühen 70er Jahren begann Kienholz eine Serie, in der er Dollarbeträge auf ein Blatt Papier schrieb – For $1, For $2, bis hin zu $10,000 – und die Blätter mit seinem Daumenabdruck und Namen signierte.[35] Die Blätter wurden dann in vom Künstler zusammengestellten Paaren zum aufgedruckten Wert verkauft. Die Scheine konnte man auf dem offenen Markt natürlich nicht ausgeben; auf dem Kunstmarkt waren sie aber eine ziemlich sichere Investition, da man davon ausgehen konnte, dass die neuen Scheine nur an Wert zunehmen würden. 1972 stellte Kienholz sein Geld in einer vergleichenden Werbung dem echten Dollar gegenüber. Unter der Überschrift "Their Brand X" kleben neun Dollarscheine in verschiedenen Denominationen; unter der Überschrift "Better Brand Y" sind vier Kienholz Scheine. Seine Scheine werden als die besseren angeboten, womit Kienholz nicht ganz unrecht hat, da sie ja im Gegensatz zum Dollar an finanziellem Wert zunehmen. Allerdings wird dieser Wert in Dollars gemessen.[36] "Nur gültiges Geld ist ein allgemeines Verrechnungsmittel mit der Funktion, gegen alle Waren austauschbar zu sein. Künstlergeldaktionen können diese elementare Vorraussetzung einer arbeitsteiligen Gesellschaft nicht erfüllen, und ihre Initiatoren wissen das meistens auch."[37] Der Dollar ist ein konkurrenzloses Produkt.
3.2.2.2 Duchamps Erbe: Schecks in der Kunst
Der Scheck symbolisiert den symbolträchtigen Geldschein. Beides sind Wertträger. Der Scheck wird von so vielen Künstlern aufgegriffen, dass auch er in einer Auseinandersetzung mit dem Thema Dollar in der Kunst nicht fehlen darf. Marcel Duchamp (1887-1968) war der erste Künstler, der mit einem gezeichneten Scheck eine Rechnung beglich – der berühmte Tzanck Check, mit dem der eine Rechnung über $115 von der erfundenen "Teeth’s Loan & Trust Company, Consolidated" an seinen Zahnarzt Daniel Tzanck beglich. Mitten in den Scheck stempelte Duchamp das Wort "Original" – in diesem Sinne wahrlich ein origineller Scheck.
Paul Cotton prangert in seinem Check Drawn on the Bank of the Imagi-Nation das Wertsystem der politischen Nation an. Ein echter, von einer Bank gedeckter, Scheck wurde mit der Bemerkung "This check is a detail in a collaborative drawing by the Trans-Parent Teachers Incorporated. Uncashed, its value is twelve times the written amount to be paid by the collector" an Jürgen Harten, den Direktor der Kunsthalle Düsseldorf, ausgestellt. Der Künstler kann mit der "Imagi-Nation" Wert genauso aus dem Nichts schaffen wie der Staat – er kann den staatlichen Geldwert sogar noch übertreffen, indem er von vornherein bestimmt, dass sein Scheck zwölf mal so viel wert ist wie die Barauszahlung.[38] Der Stempel "Thou Art" – "Ihr seid ..." – hängt zusammenhangslos in der unteren linken Ecke. Ausser der Assoziation zwischen dem Wort "Art" und Kunst zwingt sich die Frage auf – was ist man?
Malcolm Morley, schließlich, thematisiert den Scheck in einem riesigen Gemälde. Der Titel des Bildes, Regatta, verweist auf die Segelszene im Hintergrund des Bildes.[39] Man wird aufgefordert tiefer zu schauen, hinter die Oberfläche. Wie schon bei Warhols Dollarscheinen wird nun der Scheck zur Ikone noblitiert.
3.2.2.3 Kapital = Kunst: Robert Morris (b. 1931) und Robert Rauschenberg (b.
1925)
Zur selben Zeit wurde auch der materielle Dollar als Gegenstand wiederentdeckt, den man in der Kunst verwerten kann. Aus der Serie "Self-Portraits" stammt Robert Morris Brain. Morris beklebte ein Gehirn aus Plexiglas mit achteinhalb Dollarscheinen. Mit ironischem Unterton zeigt er, was den Menschen – in diesem Falle ihn, denn sein Gehirn wird hier dargestellt – am meisten beschäftigt. Gleichzeitig wird aber auch das Gehirn mit Kapital gleichgesetzt.
Robert Rauschenberg wurde durch seine "Combine Paintings" berühmt, von denen Untitled ein Beispiel ist. Er kombinierte eine bemalte Fläche mit Alltagsgegenständen und Photographien zu großen thematischen Kompositionen. Untitled ist eine Hommage an die amerikanische Konsumkultur. Auf eine auseinandergefaltete Einkaufstüte klebt Rauschenberg echte Dollarscheine, Bilder von einem Footballspiel, Gläsern, einer Tomate, einer Mülltonne und ein Polaroidphoto eines Menschens (der Künstler selbst?). Die Mülltonne als Mahnung, wo alles enden wird. Im Zentrum der Komposition sind die Dollarscheine eingekreist. Schließlich ist alles käuflich, auch der Sport.
Bei Morris und Rauschenberg werden die Scheine durch das Kunstwerk von ihrer eigentlichen Funktion entfremdet. Die Künstler nehmen die Scheine aus dem Geldkreislauf und definieren sie neu als Kunst, wodurch sie einen vollkommen neuen Wert bekommen. Bildlich wird wieder der Gegensatz zwischen finanziellem und ästhetischem Wert vorgeführt.
3.2.3 Was ist echt/authentisch?: Conceptual Art und Investment Art
"Es fällt auf", schreibt Jürgen Raap, "dass bei vielen Künstlerarbeiten über ‚Geld’, ‚Gold’, und Wertbegriffe die Materie immer an ihre Stofflichkeit gebunden bleibt."[40] Die Auseinandersetzung einiger konzeptueller Künstler mit dem Thema Geld bildet hier die Ausnahme. Minimal Art und die Konzeptkunst war eine Reaktion auf die Kommerzialisierung der Pop Art. Die Konzeptkünstler entfernten sich von dem Sammlerobjekt und setzten auf Ideen, die den Betrachter inspirieren und motivieren sollten. Dem materiellen Objekt – da es käuflich ist – haftete ein negatives Image an. Es lassen sich Parallelen ziehen zwischen der Entstofflichung des Geldes und der Entstofflichung der Kunst – so wie der Dollar in den 60er Jahren weniger materiell greifbar wurde, entfernte sich auch die Kunst vom Objekt und wurde prozesshafter.[41] Geld und Kunst verloren ihren Objektcharakter.[42]
Abraham Lubelski bewegt sich noch auf der Grenze zwischen konzeptueller und objektgebundener Kunst. 1968 stellte er den Sculptural Daydream, das erste Beispiel von Investment Art, in einer Ausstellung der Chelsea National Bank in New York aus. Die Skulptur bestand aus 250,000 $1 Scheinen die er sich von der Bank geliehen hatte. Für die fünf Tage, in denen die Skulptur ausgestellt wurde, schuldete er der Bank $300 in Zinsen. Der ursprüngliche Wert der Skulptur ist nicht von den Schwankungen des Kunstmarkts abhängig, sondern bleibt beständig $250,000. Außerdem wächst ihr Wert mit jedem Ausstellungstag: Jeden Tag wird die Skulptur um $60 in Zinsen "wertvoller". Insofern ist sie tatsächlich ein "sculptural daydream" – mit minimalem Aufwand entsteht ein an Wert ständig wachsendes Kunstwerk.[43]
Les Levine thematisierte in seinem Profit Systems One die Börse. In einer Pressemitteilung beschrieb er seine Aktion: "On March 27th, 1969, Les Levine purchased 500 common shares of Cassette Cartridge Corporation stock at 4¾ dollars per share. After a period of one year, or at any time it is deemed profitable prior to that, the Cassette Cartridge shares will be resold. The profit or loss of the transaction will become the work of art."[44] Hier ist die ganze Aktion als Kunstwerk zu sehen, als Objekt gibt es nur die Briefe, die die Transaktion besiegeln, und die Pressemitteilung des Künstlers. Levine nannte das ganze ein "post object work" das nur in unsichtbarer Form existiert. Das Werk ist so unsichtbar wie der Geldkreislauf der Börse.
Robert Morris ist der Auffassung, dass Künstler ein Objekt wegen dessen kommerziellem Wert vermeiden sollen.[45] Für Money, ein Projekt für die Ausstellung "Anti-Illustion: Procedures, Materials" 1969 im Whitney Museum of American Art, arrangierte der Künstler ein Darlehen über $50,000 an das Museum. Das Museum legte das Geld zu 5% Zinsen für die Dauer der Ausstellung an. Danach wurden die $50,000 und die Zinsen an den Leihgeber zurückgezahlt, der die Zinsen dem Künstler als Bezahlung für die Aktion zuschrieb. Im Museum wurden die Briefe ausgestellt, die die Transaktion besiegelten. Das Objekt, in diesem Fall der Dollar, rückt in den Hintergrund, ist gleichzeitig aber einziges Thema dieser Aktion. Der Geldkreislauf wird nicht bildlich, sondern in Briefen porträtiert.[46] Die Kunst geht einen weiteren Schritt in Richtung Authentizität.
3.3 Bringing it together: Drei Entwürfe der Gegenwart
Auch heute sind Geld und der Dollar wieder aktuelle Themen in der Kunst. Zur Jahrtausendwende widmen mehrere Museen dem Thema Ausstellungen.[47] Im Zeitalter des PCs und e-commerce ist Bargeld überflüssig – ein weiterer Schritt in Richtung Entstofflichung des Geldes. Kreditkarten sind weit verbreitet – beinahe alles kann mit Kredit- oder EC-Karten bezahlt werden. Weit mehr Transaktionen werden virtuell als in bar getätigt: 1997 berichtete der Nilson Report, dass 1990 20% der Transaktionen in Amerika mit Bargeld getätigt wurden; 1996 waren es 18%; im Jahr 2000 werden es voraussichtlich nur noch 16% und 2005 12% sein.[48] Geldscheine verschwinden mehr und mehr aus dem alltäglichen Gebrauch.
Gleichzeitig drehen sich weltweit die politischen Diskussionen um die Globalisierung der Marktwirtschaft. Ein Beispiel ist der Euro: Wenn 2002 endgültig die individuellen Währungen der beteiligten Nationen abgeschafft werden wird ein weiterer Schritt in Richtung Deindividualisierung getan. Bei der momentanen Schwäche der Euros kann der Dollar nur profitieren.
"Die Virtualisierung des Geldes erlaubt keine Fetischisierung mehr..."[49] – aus diesem Grund finden Künstler wohl wieder das Objekt, und im Falle des Dollars in der Kunst, den Geldschein. J.S.G. Boggs und Barton Benes behandeln beide den Objektcharakter des Geldes. Laura Kurgan, im Gegensatz dazu, untersucht den virtuellen Charakter des Geldes mit Hilfe von neuen Medien.
3.3.1 J.S.G. Boggs
Ein Künstler hält am Dollarschein fest. J.S.G. Boggs fasst in seinen Geld-Transaktionen die ganze Geschichte des Dollars in der bildenden Kunst zusammen. "[Postmodernist sensibility] … has clearly gone beyond worrying about imitation and authenticity, though it is everywhere concerned with it."[50] Boggs ist hierfür das beste Beispiel. Er arbeitet in der Tradition der Trompe l’oeil Künstler der Jahrhundertwende: Er zeichnet exakte Kopien von Dollarscheinen. Allerdings geht er einen Schritt weiter. Boggs versucht diese "Originale"[51] auszugeben, was im weitesten Sinne an Investment Art erinnert. "Boggs has found a way to illustrate, to act out, the essential nature of exchanges and money. He forces us to see, among other things, how it’s all a fiction, there’s nothing backing it, it’s all an act of faith."[52] Es ist nicht Boggs Absicht die Verkäufer zu täuschen – er weist den Verkäufer immer darauf hin, dass er den Dollar selbst gemalt hat. Allerdings kann er auch den Wert selbst bestimmen (siehe Kienholz). Für Boggs ist diese Transaktion ein wichtiger Teil des Werks, der Schein ist nur das Mittel zum Zweck. Der Empfänger des Scheins soll sich Gedanken machen über die Herkunft von Geld- und Wertvorstellungen. Ein kompletter Boggs besteht aus dem gezeichneten Zahlungsmittel, dem Gegenstand den er damit erworben hat, einer Quittung, die die Transaktion besiegelt, und dem Wechselgeld das er dafür erhielt.
Boggs Transaktionen illustrieren nicht nur den Geldkreislauf, sie sind auch beispielhaft für den unbeständigen Kunstmarkt. Unter Sammlern werden Boggs Geldscheine weit über den Dollarwert gehandelt, der auf ihnen abgebildet ist . Die Unterschiede zwischen ästhetischem und finanziellem Wert werden wieder angesprochen: "A bank note represents value, and a Boggs does not, though it has value."[53] Mittlerweile sind Boggs Dollarscheine so gesucht, dass auch seine Scheine gefälscht werden.[54]
Boggs Zusammenstösse mit dem Secret Service zeigen, dass solche Kunstaktionen nach wie vor eine juristische Gratwanderung sind. 1987 stand er in seiner Wahlheimat England vor Gericht, um sich gegen Anschuldigungen der Fälschung zu wehren. Er wurde freigesprochen. 1992 wurde auch der amerikanische Secret Service auf Boggs aufmerksam und konfiszierte alles, was irgendwie mit Dollars zu tun hatte, aus seiner Wohnung – auch ein paar Boxershorts die mit Dollarscheinen bedruckt waren. Bis heute ist das Verfahren gegen Boggs in den Vereinigten Staaten noch nicht eingestellt worden.
3.3.2 Laura Kurgan
"Man kann mutmaßen, dass auch das virtuelle Geld, das in den Chips von Kreditkarten aufgeladen ist, nicht eine solche transzendentale Bedeutung haben wird, weil ihm eine konkrete Bildhaftigkeit fehlt."[55] Laura Kurgan gibt dem virtuellen Geld Ausdruck. Sie schuf Short Circuit anlässlich der Ausstellung "Das fünfte Element" in Düsseldorf. Kurgan trennt sich wieder vom Wertträger, dem Geldschein, und zeigt in einer Computergraphik den gegenwärtigen Stand von Euro und Yen im Vergleich zum konstanten Dollar. Dass die zunehmende Ungreifbarkeit des Geldes ihr Thema ist schreibt, die Künstlerin selbst in einer Zusammenfassung des Werks: "Heute bewegt sich Geld sehr schnell und meist unsichtbar um die Erde. In ungeheuren Mengen und unvorstellbaren Transferraten fließt es durch Glasfaserkabel und zeigt sich periodisch auf Bildschirmen – sein Medium ist Licht. ‘Short Circuit’ [thematisiert] die luminose Immaterialität des Geldes und die Mutabilität seiner Medien."[56] In einem sich immer ändernden Bild fasst die Künstlerin die Unstabilität der globalen Marktwirtschaft zusammen.
Die Künstlerin spricht auch den Symbolwert des Geldes an: "Money is always a translation of something into something else – of things and people and ideas into values – and here currency turns into data." Alleine hat Geld keinen Wert. Nur wenn man es an der Ware, an dem Dienst oder an der Idee misst, die man damit kaufen kann, wird es wertvoll. So ist Geld auch einzigartig, weil nur Geld das ganze Potential für solche Akquisitionen beinhaltet.
3.3.3 Barton Benes
In der bildenden Kunst machen sich aber auch rückblickende Tendenzen bemerkbar. Barton Benes, der schon in den 80er Jahren einige Werke aus zerschnipseltem Geld zusammenstellte, sammelte für sein Money Museum 64 verschiedene Gegenstände, die einst als Wertträger fungierten – von sumerischen Tauschmitteln von 3000 v. Chr. bis hin zu Monopoly Spielgeld. Zum Ende des Jahrtausends, vor allem jetzt, wo der materielle Wertträger immer mehr in den Hintergrund rückt, ist solch eine Bestandsaufnahme der Geschichte des Geldes angebracht.
4. Ausblick ins neue Jahrtausend
Geld und Kunst – zwei Konzepte, die mehr gemeinsam haben, als der erste Blick vermuten lässt. Der Umgang amerikanischer Künstler mit dem Dollar in ihrer Kunst deutet auf die Vielschichtigkeit der Gemeinsamkeiten hin. Sie thematisieren den Material- und Symbolwert von Geld und Kunst, die globale Marktwirtschaft und den Kunstmarkt und stellen die Idee von Originalwert in Frage. Schließlich spielt in allen Kunstwerken die sich mit dem Dollar befassen der Konflikt zwischen Imitation und Authentizität, zwischen Wirklichkeit und Fiktion, der die amerikanischen Gesellschaft kennzeichnet, eine wichtige Rolle.
Während der Wende zum 20. Jahrhundert zeigten die Trompe l’oeil Künstler in ihren illusionistischen Gemälden, was die Gesellschaft während des Gilded Age bewegte: die Unbeständigkeit und Oberflächlichkeit des Dollars. In den 60er Jahren wurde der Dollar erstmals von den Pop Künstlern wieder aufgegriffen, die den Geldschein als Symbol für ihre materialistische Konsumkultur einsetzten. Als die Pop Art selbst dieser materialistischen Kultur zum Opfer fiel, reagierten die Konzeptkünstler mit ihren Investment Pieces. Und heute, wo das Objekt wieder salonfähig ist, finden Künstler wieder den Wertträger – ob Geldschein oder Investment Chart.
Im neuen Jahrtausend ist das Verschwinden des Geldscheins vorhersehbar. Geld wird immer weniger greifbar und gibt seine ästhetischen Eigenschaften vollkommen auf. Ob Dollar oder Euro – in Zukunft wird Geld ein ausschließlich ökonomisches Konzept sein. Ein Zitat von Daniel Spoerri bekommt neue Bedeutung: "In exchanging art for money, we exchange one abstraction for another."[57]
5. Literaturverzeichnis
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. "Onward and Upward With the Arts. Value: II – Category Confusion." In The New Yorker (25 January 1988), S. 88-98.
Endnoten
- [zurück] Rolf Italiaander, "Regiert Geld die Welt?", in Rolf Italiaander, Klaus Gundermann, und Joachim Büchner, Geld in der Kunst: Geld und Geldeswert in Skulptur, Graphik und Malerei, Hannover: Steinbock-Verlag, 1976, S. 17.
- [zurück] Joseph Beuys, Kunst = KAPITAL, 1979, Banknoten mit handschriftlichem Zusatz
- [zurück] Jürgen Raap, "Sozialmaschine Geld: O.K. Centrum für Gegenwartskunst Oberösterreich, Linz," in Kunstforum: Das Schicksal des Geldes 149 (Jan.-März 2000), S. 100.
- [zurück] Marc Shell, Art and Money, Chicago: University of Chicago Press, 1995, S. 137.
- [zurück] Ibid., S. 4.
- [zurück] Jürgen Harten, Das fünfte Element – Geld oder Kunst, Ausst. Kat., Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf, 2000, S. 24.
- [zurück] Länder "auratisieren" ihr Geld indem sie Kulturdenkmäler und Geistesgrößen symbolisch als Wertträger auf die Scheine drucken. (Jürgen Raap, "Die transzendentale Bedeutung des Geldes", Kunstforum, S. 67.)Mir ist kein Land bekannt auf dem Goldbarren als Wertträger abgebildet sind. In Kulturnationen, wie z.B. Deutschland, werden kulturelle Errungenschaften abgebildet. In einer politischen Nation wie Amerika sind es ehemalige Präsidenten.
- [zurück] Joachim Büchner, "Geld in der Kunst im Wandel der Jahrhunderte," in Italiaander et al, S. 93.
- [zurück] Shell sieht Münzen als die ersten verbreiteten Objekte die ökonischen (materiellen) und ästhetischen (spirituellen) Wert besitzen. Ibid., S. 9.
- [zurück] Italiaander et al, S. 93.
- [zurück] Jürgen Raap zitiert Thomas Jahn in "Die Entstofflichung des Geldes," Kunstforum, S. 211.
- [zurück] Jürgen Harten, Das fünfte Element – Geld oder Kunst.
- [zurück] Jürgen Harten und Horst Kurnitzky, Museum des Geldes: Über die seltsame Natur des Geldes in Kunst, Wissenschaft und Leben, 2 Bde. Ausst. Kat., Kunsthalle Düsseldorf, 1978.
- [zurück] Bruce W. Chambers, Old Money: American Trompe l’Oeil Images of Currency, Ausst. Kat., Berry-Hill Galleries, Inc., 1988.
- [zurück] Lawrence Weschler. Boggs: A Comedy of Values. Chicago: The University of Chicago Press, 1999. S. 40-50 zu den 60er/70er Jahren; S. 85-91 zu den Trompe l’oeil Künstlern. Das Buch ist eine erweiterte Neuauflage zweier Artikel die schon vorher im New Yorker erschienen waren: "Onward and Upward With the Arts. Value: I – A Fool’s Question," in The New Yorker (18 January 1988), S. 35-56 und "Onward and Upward With the Arts. Value: II – Category Confusion," in The New Yorker (25 January 1988), S. 88-98.
- [zurück] Ibid., S. 15.
- [zurück] Siehe Walter T. K. Nugent, "Money, Politics, and Society: The Currency Question," in H. Wayne Morgan, The Gilded Age. Syracuse, NY: Syracuse University Press, 1970, S. 109-129 und Chambers, S. 13-21.
- [zurück] Ibid., S. 15.
- [zurück] Chambers zieht auch erstmals einen Vergleich zwischen der Faszination mit Geld im Gilded Age und der heutigen Zeit: "It may be, too, that we are now more able to acknowledge the similarities between our own times and those of the ‘gilded age’ which the money painters inhabited. Today is also a time of rapid changes in, and concomitant disruptions of, the structures of production and finance, and a time, as a result, when vast fortunes are being made and lost. Our era resembles the late 19th century as well in its public obsession with wealth, as the ‘Lifestyles of the Rich and Famous’ are paraded on television, their net worth is ranked annually by size, and their trials are made the subject of movies and epic novels. Our own passion for and about money is a major reason for our growing intrigue with the money painters." Ibid., S. 17.
- [zurück] Miles Orvell, The Real Thing: Imitation und Authenticity in American Culture, 1880-1940, Chapel Hill: The University of North Carolina Press, 1989, S. xv.
- [zurück] Zu Harnett siehe Chambers, S. 15-24, und Weschler, Boggs, S. 85-90.
- [zurück] Frankenstein vermutet, dass der eigentliche Grund hinter Harnetts Festnahme war, dass man ihn für den Fälscher "Jim the Penman" hielt. Siehe Weschler, Boggs, S. 89-90.
- [zurück] Chambers, S. 20.
- [zurück] Ibid., S. 23-24.
- [zurück] Ibid., S. 86-87.
- [zurück] Ibid., S. 92.
- [zurück] Oder, wie Bruce Chambers sagt, er malt eine "‘original copy’ on top of a copy of an original." Ibid., S. 94.
- [zurück] "Gold Standard," in Microsoft Encarta Encyclopedia 99. © 1993-1998. Ironischerweise erschien zu dieser Zeit auch erstmals das "In God we trust" auf den Geldscheinen – ohne materielle Substanz berief man sich auf eine spirituelle Instanz. Siehe Weschler, Boggs, S. ???.
- [zurück] "Money," in Microsoft Encarta Encyclopedia 99. © 1993-1998.
- [zurück] Orvell, S. xvii.
- [zurück] Anon. "Paper Money Made into Art You can Bank on," in Life Magazine 67, 12 (19 September 1969), S. 51, 56.
- [zurück] Kunstforum, S. 89.
- [zurück] Siehe hierzu Harten, Das fünfte Element, Eintrag unter Watts, Robert: "… die Dollarnoten aus ‚Dollar Bills in Wood Chest’ (Tafel 75) [nehmen] gleichzeitig den anerkannten Wert, das Original, die Reproduktion und die Fälschung aufs Korn.... Falsche Banknoten, aber echte Kunstwerke, wenngleich als ‚multiplizierte Ware’. Echte Scheine mit falschem Schein oder falsche Scheine, die echte Kunst bescheinigen?"
- [zurück] Shell, S. ???.
- [zurück] Jean Lipman. "Money for Money’s Sake," in Art in America 58 (Jan./Feb. 1970), S. 76, 80, 81.
- [zurück] Zu Kienholz siehe Weschler, Boggs, S. 44-45, Lipman, S.82.
- [zurück] " ... so sind die Kienholz-Aquarelle zunächst Noten einer Privatwährung, deren Wechselkursverhältnis zum Dollar gleich bleibt und die lediglich von dessen Kaufkraft beeinflusst werden kann." Michael Hübl, "Im Zeichen des Geldes", in Kunstforum, S. 219.
- [zurück] Jürgen Raap, "Money Makes the World Go Round", in Kunstforum, S. 55.
- [zurück] "Both artist and politician seem able to take an apparently valueless piece of paper and, by virtue of words or drawings, make it as valuable as the exchange note or the valuable ‘original’ for which the note is purportedly exchangeable." In Shell, S. 84.
- [zurück] In Amerika ist es nicht ungewöhnlich, dass Schecks mit solchen Alltagsszenen dekoriert sind. Dadurch verlieren sie noch mehr ihren offiziellen Charakter. Finanzieller Wert (bzw. offizieller Wert) und ästhetik treffen wieder einmal aufeinander.
- [zurück] Raap, "Die Entstofflichung des Geldes", S. 213.
- [zurück] Zur Entstofflichung der Kunst siehe Lucy R. Lippard, Six Years: The Dematerialization of the Art Object, New York: Praeger Publishers, 1973. Raap meint dazu: "Wenn Künstler am sichtbaren Geld festhalten, geht dies oft mit einem traditionellen Werkbegriff einher, dessen wesentliches Merkmal die Körperlichkeit ist. Wo im Alltag das Geld körperlich bzw. stofflich verschwindet und in einer prozesshaft und auch virtuell gewordenen Kunst dieser Wertbegriff obsolet ist, handelt es sich wohl um Parallelentwicklungen, die unabhängig voneinander verlaufen." Raap, "Die Entstofflichung des Geldes", S. 213.
- [zurück] Die Konzeptkünstler sehen die erste Münze als frühestes Beispiel der Konzeptkunst. Siehe Harten, Museum des Geldes, S. 76, und Shell, S. 131-132.
- [zurück] Siehe Shell, S. ???, und "Art you can Bank on", S. 51.
- [zurück] Lipman, S. 76-77.
- [zurück] Shell, S. 111.
- [zurück] Ibid., S. 77.
- [zurück] In diesem Jahr die Ausstellungen in Düsseldorf und Linz; 1991 im Musée de la Poste in Paris.
- [zurück] Zitiert in Stacy L. Schreft und Bruce D. Smith, "The Evolution of Cash Transactions: Some Implications for Monetary Policy," term paper, November 1997. (The Nilson Report, November 1997, S. 6) Gesehen bei http://netec.mimas.ac.uk/WoPEc/data/Papers/fipfedkrw99-02.html.
- [zurück] Raap, "Die Entstofflichung des Geldes", S. 212.
- [zurück] Orvell, S. xxiv.
- [zurück] Boggs insistiert, dass seine Scheine Originale sind; Geldscheine sind im Gegensatz Reproduktionen. Weschler, Boggs, S. 79.
- [zurück] Weschler, Boggs, S. 32.
- [zurück] Weschler, Boggs, S. 81.
- [zurück] Weschler, Boggs, S. 21, 139.
- [zurück] Jürgen Raap, "Die transzendentale Bedeutung des Geldes", Kunstforum, S. 71.
- [zurück] In Harten, Das fünfte Element, S. 203-204.
- [zurück] Daniel Spoerri, zitiert in Shell, S. 85, und Weschler, Boggs, S. 41.
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