Deutsch-Amerikanischer Almanach

Michael Krautzberger
John Kenneth Galbraiths Kritik an Nixons Finanzpolitik

1. Einleitung

Mit den Worten "bad luck and bad judgment"[1] eröffnet Lester C. Thurow in seinem Buch The Zero-Sum Society (1980) seine Darstellung wirtschaftlicher Entwicklungen und Problemstellungen während der Amtszeit Richard M. Nixons. Diese eingängige Formulierung darf jedoch nicht über den sehr besorgten Ton Thurows hinwegtäuschen, in dem er zeitnah die damalige Lage der US-Wirtschaft beschreibt. Die Veränderungen, die zu Beginn der 70er Jahre einsetzten, hatten innerhalb von knapp zehn Jahren das amerikanische Selbstvertrauen in die Leistungskraft und die internationale Konkurrenzfähigkeit der US-Wirtschaft nachhaltig erschüttert. Die Überzeugung der allermeisten Amerikaner, am leistungsfähigsten Wirtschaftssystem der Welt teilzuhaben, kam ins Wanken. Angesichts stagnierender Wirtschaftsdaten, hoher Inflation und Arbeitslosigkeit spricht Thurow von einer Paralyse, die die US-Wirtschaft innerhalb nur eines Jahrzehnts erfaßt habe.[2] Die Ölpreiserhöhungen 1973/74 und 1979 und die damit verbundenen Energiekrisen schienen die Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten besonders deutlich zu unterstreichen.

Dabei hatten die Amerikaner gerade erst eine knapp 20 Jahre andauernde Phase ungebrochenen wirtschaftlichen Wachstums erlebt, die dem Land weltweit den höchsten Lebensstandard und im Vergleich zu anderen Nationen enormen Wohlstand beschert hatte. Zwischen 1948 und 1967 war die amerikanische Wirtschaftsleistung fast ununterbrochen gestiegen. Die Arbeitslosigkeit war niedrig und lag – abgesehen von 1958 und 1961 – stets unter der Marke von sechs Prozent. Die Verbraucherpreise stiegen zwar im Gleichschritt mit höheren Lohnabschlüssen, was jedoch nicht zu einer nennenswerten Inflation führte. Die Preissteigerungen der Industrie wurden durch niedrigere Preise für Agrarprodukte weitestgehend aufgefangen. Durch die Vereinbarungen von Bretton Woods waren die Wechselkurse international geregelt, was ganz im Interesse eines immer umfangreicheren Handels über Landesgrenzen hinweg war. Schutzzölle und Handelsbeschränkungen wurden allmählich abgebaut. Die Leistungskraft der US-Wirtschaft gerade auch im internationalen Vergleich war so eindrucksvoll, daß nur wenig Kritik an dieser kapitalistischen Wirtschaftsordnung laut wurde.[3]

Gemessen am Wirtschaftswachstum, hatten die USA dagegen ihren Spitzenplatz Ende der 70er Jahre eingebüßt. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf war in der Schweiz, Dänemark, Westdeutschland und Schweden nun höher, und Japan holte mit einem so hohen Tempo auf, daß auch diese Volkswirtschaft in ihrer Wachstumsdynamik bald an den USA vorbeiziehen mußte[4]. Dabei warf allerdings die Feststellung, daß andere Länder ein größeres Wirtschaftswachstum aufwiesen, eher abstrakte Fragen nach der zukünftigen weltpolitischen Rolle der USA auf. In absoluten Zahlen waren die aufstrebenden Nationen in Europa und Asien im Vergleich zur Gesamtwirtschaft der USA deutlich kleiner. Doch vor dem Hintergrund der eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mußten die Erfolge des Auslands mit neuen Produktionsverfahren und steigenden Überschüssen aus dem internationalen Handel dem amerikanischen Vertrauen in die eigene wirtschaftliche Stärke zusetzen. Seit 1969 wechselten kurze Phasen der wirtschaftlichen Erholung mit Schwächeperioden, deren erster Tiefpunkt 1975 mit einer zweistelligen Inflationsrate und einer Arbeitslosenquote von fast neun Prozent erreicht wurde. In den USA waren dies die schlechtesten Zahlen seit Ende des Zweiten Weltkrieges, sie sollten erst in einer Rezession 1981-1982 wieder erreicht werden.[5]

Richard M. Nixon konnte die Schwierigkeiten, die auf die US-Wirtschaft während seiner Amtszeit zukommen sollten, nicht voraussehen. Bei seiner Amtseinführung am 20. Januar 1969 deutete noch nichts darauf hin, daß die Zeiten kontinuierlichen Wachstums bald enden sollten. Die Arbeitslosigkeit war geringfügig und die Inflation noch nicht besorgniserregend. Für 1970 wurde ein kräftigeres Wirtschaftswachstum als in den Jahren zuvor vorausgesagt.[6] Von seinem Vorgänger im Präsidentenamt, Lyndon B. Johnson, wurde Nixon jedoch ein eskalierender Vietnamkrieg hinterlassen, dessen Finanzierung im Staatshaushalt nicht ausreichend abgesichert war. Darüber hinaus wurde das Haushaltsbudget durch die Programme Johnsons zur Bekämpfung von Armut und für zahlreiche Verbesserungen im sozialen Bereich belastet. Die entsprechenden Mehrausgaben des Staates sollten bald die Grundlage für den ersten Anstieg der Inflationsrate unter Nixon bilden.[7]

Es gibt Hinweise darauf, daß Nixon sich als Präsident nur widerstrebend mit Finanz- und Wirtschaftspolitik befaßt hat. Auf die zunehmenden Turbulenzen und Ängste in der Geschäftswelt mußten er und seine Berater jedoch reagieren, wenn sie die Arbeitsfähigkeit der Regierung und eine angestrebte Wiederwahl Nixons nicht gefährden wollten. Ihre Maßnahmen zur Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen wurden dabei von zahlreichen Kommentatoren sowohl in der Geschäftswelt als auch an den Universitäten und in den Medien kritisch verfolgt. Im Rückblick auf die Nixon-Jahre stehen zwar meist Watergate, Vietnamkrieg und die Proteste der Bürgerbewegung im Mittelpunkt, eventuell noch die außenpolitischen Erfolge Nixons. Für die Mehrzahl der Amerikaner rückten jedoch in dieser Zeit die negativen Veränderungen in der US-Wirtschaft in den Vordergrund. Eine stark ansteigende Inflationsrate und Preissteigerungen machten sich unmittelbar im eigenen Geldbeutel bemerkbar, vor allem bei Arbeitern, Angestellten und Farmern. Steigende Arbeitslosigkeit weckte Existenzängste, die durch den Verlust der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Industrie gesteigert wurden. Von der Regierung erwartete man, daß sie auf diese Tendenzen reagieren und die Bedingungen für Unternehmen und Arbeitnehmer so gestalten würde, daß die Wirtschaftsmaschinerie der USA wie in der Vergangenheit eine stetige Verbesserung des Lebensstandards gewährleisten könne.

Die Versuche der Nixon-Administration, diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wurden von Wirtschaftshistorikern in Ausnahmefällen zustimmend, überwiegend aber kritisch beurteilt. John Kenneth Galbraith kommentierte Nixons Wirtschaftspolitik seit dessen Amtseinführung und hat in seinem weitverbreiteten Buch Money:Whence It Came, Where It Went (1975) ein ganzes Kapitel für die Amtszeit Nixons reserviert. Auch wenn andere Autoren der Wirtschafts-wissenschaften Nixon ein überwiegend schlechtes Zeugnis ausstellen, ist die Heftigkeit von Galbraiths Kritik überraschend – vor allem gemessen an seinen früheren Einschätzungen. Die vorliegende Arbeit möchte die wirtschaftlichen Entwicklungen unter Nixon skizzieren und mit der Kritik Galbraiths abgleichen und untersuchen, ob dessen hartes Urteil von anderen Ökonomen geteilt wurde. Dabei möchte ich die These überprüfen, ob die Schwierigkeiten der US-Wirtschaft während der Nixon-Jahre mit dem damaligen Verständnis für ökonomische Abläufe überhaupt zu beschreiben, geschweige denn zu beheben gewesen wären.

2. Die Schwierigkeiten der US-Wirtschaft unter Nixon

2.1. Weichenstellungen unter Kennedy und Johnson

Die Ergebnisse wirtschaftlicher Entwicklungen sind oft nur schwer vorhersehbar und entfalten sich über einen langen Zeitraum, bevor ihre Auswirkungen umfassend beschrieben werden können. Der schleichende Niedergang der amerikanischen Wirtschaft, der Nixon und seine Berater vor unvorhergesehene Probleme stellen sollte, hatte seinen Ursprung in Entscheidungen, die Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vor Nixons Amtsantritt getroffen worden waren. So beleuchtet David P. Calleo die immer heftigeren Inflationsschübe in den 70er Jahren vor dem Hintergrund eines grundlegenden Politikwechsels während der Regierungszeit John F. Kennedys.[8] In Abkehr von Eisenhowers Kurs, der jederzeit entschieden gegen Preiserhöhungen und somit gegen eine höhere Inflation anging, sollte sich unter Kennedy die Vormachtstellung der USA in der westlichen Welt und als Gegenspieler zur Sowjetunion auch in einem überdurchschnittlichen industriellen Wachstum widerspiegeln. Drohten die Erzeugerpreise während des Koreakrieges anzusteigen, verhängte die Regierung Eisenhower Lohn- und Preiskontrollen, die ein Ansteigen der Inflationsrate verhinderten. Drohten Löhne und Preise nach der Aufhebung dieser Kontrollen 1953 zu steigen, antwortete Eisenhower mit erhöhten Zinssätzen, einer generell restriktiven Steuerung der Geldmenge und gedrosselten Staatsausgaben. Auf diese Weise wurde aus einem Haushaltsdefizit von knapp sechs Milliarden Dollar 1954 ein Haushaltsüberschuß in vergleichbarer Höhe.[9] Eine höhere Arbeitslosenquote wurde dabei zugunsten geringer Inflation in Kauf genommen.

An dieser Stelle berühren sich die Karrieren Kennedys und Nixons. Zwar hatte die republikanische Regierung bis 1960 den Preisanstieg für Industriegüter angehalten. Aber der Preis dafür, eine Arbeitslosenquote von 6.7 Prozent, trug zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen im selben Jahr zugunsten Kennedys und gegen Nixon bei. Unter Kennedy nahm der Staat eine aktivere Rolle zur Steigerung der Wirtschaftsleistung ein. Aus dem Staatshaushalt wurden neben erhöhten Investitionen in die Rüstung auch kostspielige Sozialprogramme und ein vermehrtes Engagement der USA in Entwicklungsländern finanziert. Um mehr Steuereinnahmen zur Verfügung zu haben und den Staatshaushalt decken zu können, war ein kräftiges Wirtschaftswachstum Grundvoraussetzung. Neben staatlichen Investitionen wurde die Wirtschaft durch Steuersenkungen stimuliert, während das Budget sich nicht länger am aktuellen Steueraufkommen orientierte, sondern auf der Basis zu erwartender Mehreinnahmen durch den Aufschwung kalkuliert wurde. Das Schlagwort "New Economics", abgeleitet von einem Buchtitel über John Maynard Keynes[10], wurde zu einem feststehenden Begriff und stand für weit mehr als nur die finanzpolitischen Entscheidungen der 60er Jahre. Die ‚Neue Wirtschaft‘ versprach die Überwindung der zyklisch wiederkehrenden Rezessionen, die ganze Volkswirtschaften aus der Bahn werfen konnten, wie zum Beispiel die Depression in den 1930er Jahren. Mit "New Economics" war auch der Glaube an unbegrenztes Wachstum, steigenden Wohlstand und die Überlegenheit des westlichen Wirtschaftssystems zu verstehen.

Das Vertrauen in die ‚Neue Wirtschaft‘ löste in den USA einen Boom aus, der 1963 einsetzte und sich bis 1969 weitgehend ungebremst halten sollte[11]. Das Bruttosozialprodukt stieg bis auf 5,9 Prozent, gleichzeitig nahm die Arbeitslosigkeit kontinuierlich ab. Bereits 1965 signalisierte eine stark ansteigende Inflationsrate eine Überhitzung der Wirtschaft. Die steigenden Ausgaben für den Vietnamkrieg, die 1966 auf 13 Milliarden Dollar anwuchsen, verstärkten diesen Trend ebenso wie Johnsons "Great Society" – Programme, die immer mehr staatliche Mittel verlangten[12]. Eine Gegenfinanzierung des Vietnamkrieges über höhere Steuern wurde unter Johnson nicht vorgenommen, denn das Engagement der USA in diesem Konflikt war ohnehin schon umstritten genug und sollte durch Steuererhöhungen nicht um einen unangenehmen Aspekt erweitert werden[13]. Erst sehr spät wurde durch eine Sonderabgabe von 10 Prozent auf die Einkommenssteuer bei gleichzeitigen Einsparungen im Haushalt auf die steigenden Kosten für Vietnam reagiert[14]. Ergänzend zu allen kritischen Urteilen über den Vietnamkrieg werden auch die finanzpolitischen Entscheidungen im Zusammenhang mit dieser Krise durchweg schlecht beurteilt. Auch wenn die Feststellung zynisch klingt, so waren Kriegszeiten in den USA auch immer mit reger wirtschaftlicher Aktivität verbunden. Das Militär erhöht seinen Bedarf an Produkten und Dienstleistungen aller Art, finanziert durch Mittelzuflüsse, die ursprünglich nicht im Verteidigungsbudget vorgesehen waren. In einer US-Wirtschaft, die erst kurz vor Beginn des Vietnamkrieges ihre Kapazitäten wieder auf den Bedarf in Friedenszeiten umgestellt hatte, wirkten die zusätzlichen Anforderungen allzu stimulierend. Arbeitskräfte und Rohstoffe wurden knapp, die zivilen Bereiche des Marktes konkurrierten mit den Branchen, die Aufträge für das Militär auszuführen hatten. Daraus ergaben sich sowohl Preissteigerungen für zivile Produkte als auch eine Verknappung von freien Arbeitskräften. Das Wechselspiel zwischen steigenden Verbraucherpreisen und damit verbundenen höheren Lohnforderungen hatte 1968 das ganze Land erfaßt.

2.2. Nixons Kampf gegen die Inflation bis August 1971

Über die ersten Maßnahmen der neuen republikanischen Regierung zur Eindämmung der Inflation finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben. So bewerten Ann Mari May und Robert R. Keller in ihrem Beitrag "Nixon’s Political Business Cycle" die bereits 1969 getroffenen Entscheidungen der Regierungsmannschaft Nixons zur Eindämmung der Inflation als ebenso frühe wie entschlossene Bereitschaft, sich ernsthaft mit finanzpolitischen Fragen auseinanderzusetzen[15]. Nach dieser Darstellung war der Kampf gegen die Inflation bereits vor Nixons Amtsantritt ein zentrales Wahlkampfthema, das auch seine ersten wirtschaftspolitischen Entscheidungen beeinflusste. Die neuernannten Mitglieder der Council of Economic Advisers nahmen sich des Problems sofort an, setzten auf eine Reduzierung der Staatsausgaben und hoben steuerliche Vergünstigungen für Investitionen auf. Auf die Federal Reserve Bank wurde Druck ausgeübt, die Geldmenge zurückzuführen und die Kreditvergabe zu erschweren. Diese Maßnahmen entsprachen einem konservativen Ansatz der indirekten Wirtschaftssteuerung ohne allzu starke Einmischung des Staates.

Über die finanzpolitische Entschlußfreude Nixons zu Beginn seiner ersten Amtszeit urteilt Allen J. Matusow in Nixon’s Economy: Booms, Busts, Dollars, and Votes (1998) jedoch anders. Ausgehend von Nixons Antrittsrede, die zur Wirtschaftspolitik nur einen einzigen Satz beinhaltete, kommt Matusow zu der Einschätzung, daß Nixon sich soweit wie möglich von Wirtschaftspolitik fernhalten wollte. Die Wahl seiner ursprünglichen Berater war ihm regelrecht egal, und die Sitzungen zu finanzpolitischen Fragen langweilten ihn meist, solange sich die US-Wirtschaft nicht zu einem Problem für seine Wiederwahl entwickelte. "Preoccupied with matters he considered far more important, Nixon barely paid attention to the appointment of the administration’s chief economic officials"[16], die da waren: Paul McCracken, Vorsitzender des Council of Economic Advisers (CEA); David Kennedy, Secretary of the Treasury; und Robert Mayo, Budget Director. Neben diesen drei Männern vertraute Nixon bei wirtschaftlichen Fragen vor allem Arthur Burns, George Shultz und Herbert Stein. Mit Milton Friedman hielt er gelegentlich Rücksprache.

Für die Beurteilung der Frage, welchen Stellenwert die Wirtschaftspolitik für Nixon persönlich hatte, lohnt auch ein Blick in seine 1978 erschienenen Memoiren. Wie von Matusow angedeutet, spielt die Wirtschaft bei Nixon auch in seinen persönlichen Aufzeichnungen eine ausgesprochen marginale Rolle. So werden beispielsweise die Namen David Kennedy und Robert Mayo auf über tausend Seiten gerade jeweils einmal erwähnt. Im Index sucht man die Begriffe economy und economic policies vergeblich. Der Darstellung seiner finanzpolitischen Entscheidungen widmet er recht genau in der Mitte des Buches weniger als acht Seiten.[17]

Bei David P. Calleo präsentierten sich Nixon und seine Experten für die Ökonomie zumindest entschlossen:

Nixon arrived in office prepared for stern measures to control domestic inflation and, in the process, to strengthen the dollar abroad. His method was as conventional as his goal. He continued Johnson’s tax surcharge, reduced the investment tax credit, and cut federal spending. The Federal Reserve persevered with tight money. Nixon’s advisors promised no novelty except consistent moderation. Policies were to be "gradual," free from the hectic, disruptive oscillations typical of Johnson’s later years.[18]

Ziel der Politik von tight money war eine simple Abschwächung der überhitzten Wirtschaft. Nach gängiger Wirtschaftstheorie der ersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts würde eine erschwerte Kreditaufnahme, bedingt durch hohe Leitzinsen der Federal Reserve Bank, die Investitionen in Industrieanlagen und bei Rohstoffvorräten herunterfahren. Bei einer leichten Verschlechterung der Wirtschaftslage würden dann die Preise für Industriegüter durch eine geringere Nachfrage stabil gehalten oder sinken, während ein Abbau von Arbeitsplätzen die Macht der Gewerkschaften schwächen und sie zu geringeren Lohnabschlüssen bewegen würde. Natürlich war eine künstlich erzeugte kleinere Krise auf dem Arbeitsmarkt eine unpopuläre Entscheidung. Eine milde Rezession wurde jedoch für den Rückgang der Inflation in Kauf genommen, auch mit dem Hintergedanken, daß man die Politik des tight money jederzeit zurücknehmen konnte, wenn die Inflation auf ein gewünschtes Maß gesunken war. Ein idealer Zeitpunkt, die Wirtschaft wieder voll zu stimulieren, war aus der Sicht Nixons und seiner Experten das Wahljahr 1972. Mit dieser Methode der feinen Regulierung, so die Erfahrungen der vorangegangenen Jahrzehnte, konnte man Wirtschaftszyklen mit periodischen Ausschlägen nach oben – Boom – und unten – Rezession – wirkungsvoll begegnen.

Die gewünschte rezessive Wirkung stellte sich 1970 ein, mit geringeren Produktionsraten und einer erhöhten Arbeitslosigkeit. Auch die Wähler hatten diesen rückläufigen Trend in der Wirtschaft bereits vermerkt. Zur Verwunderung von Nixons Experten und zu seiner großen Besorgnis ging jedoch die Inflation nicht wie gewünscht zurück. Stattdessen stieg sie weiter, und zwar auf 5,9 Prozent im Sommer 1971. Rückläufige Militärausgaben, die Rückkehr zahlreicher Soldaten aus Vietnam, zunehmende Insolvenzen auch größerer Unternehmen und ausbleibende Investitionen der Wirtschaft trieben die Arbeitslosenquote auf 6 Prozent. Die Inflation hatte eine Eigendynamik entwickelt, nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens der Gewerkschaften, die trotz zunehmender Erwerbslosenzahlen für ihre Mitglieder hohe Lohnforderungen durchsetzten. Und die Industrie drosselte lieber ihre Stückzahlen, statt die Preise für Verbrauchsgüter zu senken.[19]

Wahrscheinlich wäre die restriktive Finanzpolitik Nixons am Ende aufgegangen und die Inflation auf einen erträglichen Wert gesunken. Auch aus der heutigen Perspektive deuteten die wirtschaftlichen Rahmendaten darauf hin, daß der Preisauftrieb sich allmählich verlangsamte. Zwar wurde damals die Stärke der inflationären Entwicklung durch den Vietnamkrieg unterschätzt, aber mit mehr Geduld hätten sich die Vorstellungen von Nixons Ökonomen erfüllt. Doch der Präsident war inzwischen in eine gefährliche Lage geraten, denn die Umfrageergebnisse im Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl waren für ihn besorgniserregend schlecht. In den Meinungsumfragen lag sein demokratischer Herausforderer Edmund S. Muskie deutlich vor ihm, was nicht zuletzt auf die Unzufriedenheit mit Nixons Wirtschaftspolitik zurückzuführen war. In Erinnerung seiner letzten Wahlniederlage 1960, für die er auch die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich machen mußte, entschied sich Nixon für eine radikale Abkehr von einer Wirtschaftspolitik des fine tuning. In welchem Dilemma sich Nixon befand, läßt sich am besten mit seinen eigenen Worten schildern:

The first months of 1971 were the lowest point of my first term as President. The problems we confronted were so overwhelming and so apparently impervious to anything we could do to change them that it seemed possible that I might not even be nominated for re-election in 1972. Early in January it was announced that unemployment had reached 6 percent – the highest point since 1961. (...) The economy was in bad shape and did not look like it was going to get better soon. On the foreign exchange markets the dollar hit its lowest point since 1949.[20]

Außer Niedergeschlagenheit kann man diesem Zeugnis Nixons auch entnehmen, daß er wirtschaftlichen Abläufen ein Stück weit hilflos gegenüberstand, ohne ihre Bedeutung für die eigene politische Zukunft zu unterschätzen. Angesichts der verfahrenen Situation entschied er sich für einen anderen Ansatz, die Probleme zu lösen, auch wenn dieser Neuanfang unter Wirtschaftsexperten umstritten und seine Konsequenzen schlichtweg unvorhersehbar sein sollten.

2.3. Einfrieren der Löhne und Preise für 90 Tage durch Nixon

Bereits die Wahlen zum Kongress 1970 mit ihren deutlichen Verlusten für die Republikaner hatten Nixon einmal mehr vorgeführt, wie groß die Unzufriedenheit im Land war. Die wirtschaftliche Lage konnte auch der neue Mann an der Spitze der Federal Reserve Bank, Nixons Vertrauter Arthur Burns, durch eine starke Erhöhung der Geldmenge zum Ankurbeln des amerikanischen Marktes nicht sichtbar verbessern. Zusätzlich geriet der Dollar, Leitwährung der Weltwirtschaft, durch Spekulation und die schlechte US-Außenhandelsbilanz stark unter Druck und verlor immer weiter an Wert.

Mit einem Paukenschlag läutete Nixon persönlich am 15. August 1971 die Richtungsänderung in seiner Wirtschaftspolitik ein und verkündete seine "New Economic Policy". In einer Fernsehansprache wandte er sich an die Amerikaner und stellte ein Programm vor, dessen Kontrast zu den bisherigen Lösungsansätzen größer nicht hätte sein können. Die Montagsausgabe der New York Times brachte diese Ankündigung auf der Titelseite, von der sie in der Folgezeit auch nicht mehr so schnell verdrängt wurde[21]. Die zentralen Punkte der Ansprache waren ein Einfrieren der Preise und Löhne in fast allen Branchen der Wirtschaft für 90 Tage, Dividendenausschüttungen durch Aktien eingeschlossen. Bereits getroffene Lohnabmachungen durften nicht mehr umgesetzt werden. Zur Überwachung und Koordination dieser Vorgaben wurde ein Cost of Living Council eingerichtet.

Für den internationalen Währungsmarkt wurde die Bindung des Dollars an den Goldstandard aufgehoben. D.h., Dollarnoten konnten – auch theoretisch – nicht mehr in Gold eingetauscht werden. Damit sollte das gesamte Währungssystem nach Bretton Woods neu ausgerichtet werden.

Die Steuern wurden gekürzt, Steuererleichterungen für Investitionen in die US-Wirtschaft wurden wieder verstärkt. Der Bundeshaushalt wurde gekürzt, und zwar um 4,7 Milliarden allein für das laufende Steuerjahr. Darüber hinaus wurde das Personal für den öffentlichen Dienst um 5 Prozent reduziert und das Gehalt für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes eingefroren. Der Etat für Entwicklungshilfe wurde um 10 Prozent gekürzt.

Auf Importe in die USA wurde ein zusätzlicher Zoll in Höhe von 10 Prozent erhoben, um die Binnenwirtschaft zu schützen und die seit Jahren ansteigenden Importe aus dem Ausland zurückzudrängen.

Vergleichbare Maßnahmen kannte die US-Wirtschaft nur aus Zeiten der beiden Weltkriege. Einen solch massiven Eingriff des Staates in die Privatwirtschaft hätte man am allerwenigsten einem republikanischen Präsidenten zugetraut, und Nixon hatte jahrelang betont, er halte nichts von staatlicher Einmischung in Form von Lohn-/Preiskontrollen.[22] Seine Abkehr von dieser Haltung und seine Initiative erwiesen sich in der Folgezeit als extrem erfolgreich. Mit dem Einfrieren der Preise und Löhne wurde die Inflation gestoppt, und die Inflationsrate begann zu fallen. Die Steuerreduzierung und die gesteigerten staatlichen Investitionen kurbelten die Wirtschaft an und schufen neue Arbeitsplätze. Das Bruttosozialprodukt stieg 1972 um 5,7 Prozent.[23] Durch das freie floaten des Dollars auf dem Weltmarkt verringerte sich die schlechte US-Außenhandelsbilanz. Die amerikanische Öffentlichkeit bedankte sich bei Nixon, indem er erneut zum Präsidenten gewählt wurde.

2.4. Das Ende der New Economic Policy

Auch wenn Nixons Initiative kurzfristig die erwünschten Erfolge einbrachte, konnte sie den Ausbruch tiefsitzender Probleme der US-Wirtschaft lediglich verzögern. Kurz nach der Wiederwahl Nixons ging die Inflationsrate erneut nach oben, diesmal auch aufgrund der gerade erst verabschiedeten Maßnahmen zu ihrer Eindämmung. Die Gelder, die der Staatshaushalt in die Wirtschaft pumpte, regten nicht nur notwendige Investitionen an. Die Industrie steigerte ihre Ausgaben wieder sehr rasch und trieb gleichzeitig die Preise in die Höhe. Durch die Steuerreduzierung hatten die privaten Verbraucher mehr Geld in der Tasche und konsumierten entsprechend mehr. Die Erhöhung der Geldmenge durch die Federal Reserve Bank erleichterte den Banken die Kreditvergabe. Davon profitierte vor allem der Bausektor. Zwar wuchs auf der einen Seite das Bruttosozialprodukt stetig an, andererseits kam es in den USA vermehrt zu Spekulationen und in ihrer Folge auch zu einer Welle von Firmenzusammenbrüchen. Während der Zeit der Kontrollen blieben jedoch die meisten Verbraucherpreise stabil, was als Zeichen für die Richtigkeit der neuen Politik ebenso verstanden wurde wie die starken Wirtschaftsdaten.

Ein Mißverständnis, wie sich bald herausstellen sollte. Bereits 1973 wurden die Kontrollen schrittweise gelockert und liefen schließlich aus. Die Effekte für die Wirtschaft waren verheerend. Es kam zu enormen Preissteigerungen, zuerst bei Erzeugnissen des Agrarsektors, gefolgt von den Lebensmittelpreisen. In den Sog nach oben gerieten schließlich so viele Verbraucherpreise, daß die Inflationsrate sprunghaft von 3,3 Prozent nach Einführung der Kontrollen auf vorher nie erlebte 12,3 Prozent 1974 anstieg. Als die Geldmenge im Sommer ’74 zurückgefahren wurde, erreichten die Zinsen für Kredite neue Höchststände. Bereits verunsichert durch diese neuen Entwicklungen zum Schlechteren, trat die erste drastische Ölpreisverteuerung durch die OPEC-Staaten zu einem sehr sensiblen Zeitpunkt ein. Als Nixon 1974 zurücktrat, erlebten die USA das schlimmste Wirtschaftsjahr seit den 1930er Jahren, mit mehr als 12 Prozent Inflation, einer scheinbar unaufhaltbaren Preissteigerungsrate für fast alle Erzeugnisse, einem Rückgang des Bruttosozialprodukts um 2 Prozent jährlich und Rekordarbeitslosigkeit.[24]

3. John Kenneth Galbraith als Kritiker Nixons

An Kritikern hat es Richard Nixon nicht gefehlt, vor allem nicht nach Watergate und seinem Rücktritt. Auch seine Auseinandersetzung mit finanz- und wirtschaftspolitischen Aufgaben wurde lebhaft verfolgt. Die Erschütterungen der amerikanischen Wirtschaft in den 70er Jahren läßt sich insgesamt erst nach Ablauf dieser Epoche beurteilen, denn die Wechselwirkungen zwischen einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Faktoren ist so komplex, daß fundierte Aussagen über die tatsächlichen Abläufe erst in einer Gesamtschau möglich scheinen – wenn überhaupt. John Kenneth Galbraith hat in seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu wirtschaftswissenschaftlichen Themen oft versucht, seinen Lesern einen Überblick zu vermitteln und Zusammenhänge als solche klar auszuarbeiten. Dies trifft in besonderer Weise auf sein Buch Money:Whence It Came, Where It Went zu, das nicht weniger versucht, als eine Geschichte des Geldes und seiner Bedeutung im marktwirtschaftlichen Prozeß zu schreiben. Daß der Zustand der US-Wirtschaft im Jahr des Erscheinens Grund genug war, der Politik Nixons das abschließende Kapitel zu widmen, scheint verständlich. Auch die verheerende Bilanz dieser Jahre teilt Galbraith mit anderen zeitgenössischen Beobachtern. Neben dem in manchen Bemerkungen sehr sarkastischen Ton erstaunt jedoch, daß Galbraith auch in der letzten Auflage 1995 kein Wort an seiner Nixon-Kritik verändert hat. Im Rückblick bleiben die Probleme, vor die die Regierung Nixon gestellt wurde, und ihre Folgen zwar bestehen. Inzwischen weisen andere Kommentatoren jedoch darauf hin, daß eine bessere Beurteilung der Lage mit den damaligen Vorstellungen des wirtschaftlichen Geschehens kaum vorstellbar scheint.

3.1. Galbraiths Kritik an Nixon in Money

In den letzten beiden Kapiteln seines Buches Money:Whence It Came, Where It Went stellt Galbraith zwei volkswirtschaftliche Modelle in Frage, die bis in die 1970er Jahre als Grundlage für die Beschreibung makroökonomischer Abläufe und für die Ausrichtung kapitalistischer Marktwirtschaften dienten. Beide Modelle, das erste von John Maynard Keynes, das zweite von Milton Friedman, fanden in der US-Wirtschaft Anwendung, beide bewiesen ihre Stärken und Schwächen.

Nach der Lehre von John Maynard Keynes hat die Regierung die Möglichkeit, zyklische Schwankungen der Wirtschaft und die damit verbundenen negativen Folgen wie Inflation und Arbeitslosigkeit durch die Festlegung von Abgabenlast und Haushaltsausgaben feindosiert zu regeln, ohne direkt ordnungspolitisch in die Kräfte des freien Marktes eingreifen zu müssen. Die new economists der 60er Jahre sahen im Konsumverhalten der Privathaushalte den maßgeblichen Unsicherheitsfaktor. Um ihn in den Griff zu bekommen, wurden Steuererhöhungen und -senkungen als Möglichkeiten der Regierung begriffen, indirekt in die jeweilige wirtschaftliche Entwicklung einzugreifen. Drohte eine Rezession, mußten die Steuern gesenkt und Ausgaben der öffentlichen Hand erhöht werden. Durch die Steuerentlastungen konnten die Privathaushalte Geld ausgeben und die Konjunktur stützen. Die Produktion in den Firmen konnte auf höherem Niveau fortgesetzt und Arbeitsplätze gesichert, bzw. aufgebaut werde. Stand zu befürchten, die Wirtschaft überhitzt und die Preise und Löhne steigen zu stark, wurden die Steuern heraufgesetzt und die Etats des Staatshaushaltes gekürzt. Weniger Geld in den Händen der Konsumenten reduziert die Kaufkraft, weniger Waren und Dienstleistungen werden nachgefragt. Also stabilisieren sich die Preise und mit ihnen die Löhne, weil ein Rückgang in der Produktion auch Arbeitskräfte freisetzt. Mit diesem an sich einfachen Mechanismus glaubten die Regierungen Kennedy und Johnson, die periodischen Schwankungen des Marktes ausgleichen zu können.

Milton Friedman hatte eine andere Vorstellung davon, wie die Regierung in einer freien Marktwirtschaft ohne direktes Eingreifen in den Markt die Schwankungen zwischen Rezessionen und Inflation beherrschen könnte. Sein Modell konzentrierte sich auf die Geldmengensteuerung durch Zentralbanken. Nachdem die Instrumente des Modells nach Keynes in den 60er Jahren keine Erfolge mehr brachten, sondern immer heftigere Ausschläge entweder Richtung Inflation oder hoher Arbeitslosigkeit produzierten, bot eine monetäre Politik über die Zentralbank eine denkbare Alternative. Über die Höhe der Leitzinsen konnte die Kreditvergabe gesteuert werden. Leichter Zugang zu Krediten würde demzufolge Investitionstätigkeit nach sich ziehen und den Markt ankurbeln. Drohte die Wirtschaft zu überhitzen, wurden die Leitzinsen erhöht, Geld wurde von den Banken zu erschwerten Konditionen ausgegeben, und die Konjunktur kühlte sich ab. Der Vorteil – v.a. aus der Sicht des Staatsmannes – war die Vermeidung von Steuererhöhungen, die beim Wähler besonders in den USA nie gern hingenommen wurden.

Die Vorzüge der monetären Politik für die Regierung Nixons umschreibt Galbraith in Money:

But much of the revival was owing to the effective evangelism of the most diligent student of monetary policy and history during these years, Professor Milton Friedman. As a devout and principled conservative, Professor Friedman saw monetary policy as the key to the conservative faith. It required no direct intervention by the state in the market. It elided the direct management of expenditures and taxation, not to mention the large budget, which was implicit in the Keynesian system. It was a formula for minimizing the role of government [...][25]

Der Kern für Galbraiths extrem ablehnende Haltung aller Schritte Nixons in der Finanzpolitik ist hier angelegt.

Als liberaler Demokrat hat Galbraith die konservative Haltung Nixons, die Regierung habe sich aus dem Markt so weit wie möglich heraus zu halten, stark angefeindet und sieht die fehlerhaften Entwicklungen in den 70er Jahren überwiegend aus dieser Perspektive. Calleo hat darauf hingewiesen, daß das Potential für den späteren Anstieg der Inflation und die immer verstörenderen Turbulenzen nach der Regierung Johnson wahrscheinlich bereits unter Kennedy aufgebaut wurde. Galbraith läßt diese Argumentation nicht gelten. Seine Trennlinie zwischen wirtschaftlich guten Jahren und den auftauchenden Problemen verläuft sehr genau zwischen den Amtszeiten der beiden demokratischen Präsidenten und Nixon. Das Ansteigen der Inflation führt Galbraith zwar auch auf die Auswirkungen der Finanzierung des Vietnamkrieges zurück. Anders als Thurow , Calleo oder Matusow läßt er tiefliegende strukturelle Schwierigkeiten nach 1969 für Nixon nicht gelten. Die Kosten für den Vietnamkrieg seien laut Galbraith bereits vor Nixons Amtsantritt durch höhere Einkommenssteuern und die Zusatzabgabe von 10 Prozent auf die Einkommenssteuer aufgefangen worden.[26] Die erklärte Haltung der Nixon-Regierung, die Inflation durch fiskalische und monetäre Maßnahmen einzudämmen und nicht durch die direkte Einmischung in die Lohn- und Preisgestaltung des Marktes, veranlaßt Galbraith zu folgendem Kommentar:

And as the hopeless course was emphasized by the President, the important power was rejected. There would be no interference with prices and wages. The previous hope for restraint was replaced by an invitation to corporations and unions to exercise whatever market power they possessed and might find immediately rewarding. In dealing with Mr. Nixon, it is not easy to be unfair. He invited: and justified all available criticism.[27]

Hier wird deutlich, welchen grundsätzlichen Vorwurf Galbraith erhebt. Die erklärte Nichteinmischung der Politik in die Wirtschaft ist für ihn der schwere Fehler, der die Entwicklungen der70er Jahre zumindest begünstigt, wenn nicht sogar verursacht hat. Galbraith vertritt die Auffassung, daß sich sowohl auf der Unternehmerseite als auch bei den Gewerkschaften Machtstrukturen etabliert haben, die seiner Vorstellung einer liberalen Wirtschaftsordnung entgegenstehen.[28] Seine Vorschläge, die US-Wirtschaft dauerhaft einer Kontrolle durch Regierung und Parlament zu unterwerfen, lehnten die Nixon-Berater, namentlich McCracken, noch im Juli 1971 entschieden ab. Es gab in der demokratischen Partei Unterstützung für ein solches Vorgehen, doch auf ein offenes Ohr bei Nixon durfte Galbraith hier nicht hoffen. Die Ablehnung mit dem Hinweis, solche Ansichten wären nur in der extremen Linken zu finden, kam zur Erheiterung Galbraiths unmittelbar vor dem Einfrieren der Löhne und Preise durch Nixon am 15. August ’71.[29] An dieser Art der Kontrolle, die ja von Anfang an befristet war, konnte Galbraith auch nur den kurzfristigen Effekt für Nixons Wiederwahl betonen, sie hatte nichts mit einem permanenten Mechanismus gegen die Machtmonopole von Unternehmen und Gewerkschaften zu tun, der ihm vorschwebte. Galbraith übte an der Durchführung des Preis- und Lohnstopps entsprechend deutlicher Kritik als andere Wirtschaftshistoriker. In seinen Augen war die Einführung der Kontrollen nicht gut vorbereitet, ihre Durchsetzung nicht nachdrücklich genug und ihre schleichende Erosion eine Ankündigung für die erheblich verschlechterte Lage, die sich nach 1974 einstellen sollte.

3.2. Galbraith in der New York Times

Abgesehen vom 20. Kapitel in Money hat sich John Kenneth Galbraith u.a. in der New York Times zu Nixons Amtsführung zu Wort gemeldet, bzw. wurde um Stellungnahme gebeten. Auch hier stellte er dem Präsidenten ein generell schlechtes Zeugnis für dessen Regierungsarbeit aus, was nach der Kontroverse, die er in Money ausführlich beschreibt, nicht allzu verwunderlich ist. Überraschend dramatisch war jedoch Galbraiths Warnung im Mai 1970, die amerikanische Wirtschaft stünde kurz vor einem Kollaps, der dem großen Crash 1929 in nichts nachstehen würde. Über den Börsenzusammenbruch 1929 legte Galbraith mit The Great Crash, 1929 (1961) ein Standardwerk über diesen bisher folgenreichsten Kursrutsch an der New Yorker Börse vor. Selbst wenn man ihm unterstellt, mit der Wahl Nixons und dessen Wirtschaftskurs von Anfang an unzufrieden gewesen zu sein, wirkt seine Sorge an dieser Stelle übertrieben. In dem Artikel mit der Schlagzeile "Galbraith: ’29 Repeats Itself Today"[30] zieht er Parallelen zur damaligen Situation und bestätigt, daß er dieselben Vorzeichen für einen großen Börsencrash wiedererkennen könne. Die Stimmung an der Börse sei entsprechend schlecht, und Warnungen vor exzessiver Spekulation würden nicht wahrgenommen. Wieder würden selbsternannte Experten den kleinen Mann von der Straße zu unvorsichtigen Aktienkäufen verleiten, obgleich die Wirtschaftsdaten besorgniserregend seien. Isreal Shenker, der das Gespräch aufgezeichnet hatte, sah sich vielleicht auch daher zu dem Kommentar veranlaßt "John Kenneth Galbraith, who usually needs no prompter to play Cassandra."

Über Nixons überraschende Kehrtwende im August 1971 hat sich Galbraith dagegen wiederholt sehr lobend geäußert. Am 25. August, zehn Tage nach Bekanntgabe des Preis- und Lohnstopps, wird er mit den Worten zitiert: "The one thing Nixon did was break decisively, dramatically, and one must admit with an enormous elan, with the whole notion that wages and prices where outside the proper control of the Government."[31]

Darüber hinaus stellt Galbraith fest, daß Nixon im Angesicht von "democratic pressures" beweglicher sei als die meisten Politiker, und daß auch seine Vorstellungen zu sozialen Reformen mehr Durchschlagskraft hätten durch "being unscrupulous", was in diesem Zusammenhang positiv gemeint war.

Nixons neue Ausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik wurde in den Medien in den darauffolgenden Monaten endlos kommentiert, und immer wieder tauchen auch Äußerungen Galbraiths dazu auf, die sich wesentlich vom Ton des betreffenden Kapitels von Money unterscheiden. Unter der Schlagzeile "Galbraith Praises Nixon For Improving Economy" ist im Oktober 1971 zu lesen: "John Kenneth Galbraith, the economist and author, has given President Nixon high praise for ending what he termed ‚self-imperialism‘ and improving the economy."[32] Diese Feststellung deckt sich mit Galbraiths Abneigung gegen die in seinen Augen existierenden Verflechtungen von militärisch-industriellem Komplex, Großunternehmen und Gewerkschaften. Auch von diesem Lob ist später nichts mehr zu finden.

Auch über die langfristigen Möglichkeiten des Lohn- und Preisstopps äußert sich Galbraith in seinem Buch nicht mehr, sehr wohl aber in einem Zeitungskommentar. Mit "Galbraith Finds Pitfalls For Economic Planners" wird hier jedoch nicht die schleichende Aufhebung der Kontrollen beschrieben, die er in Money am Ende beklagt, sondern das Gegenteil: "John Kenneth Galbraith yesterday described the Administration’s new economic programm as the ‚culminating step in a long but still only dimly perceived‘ shift to a system in which planning assumes more importance than free-market forces."[33]

In dem Artikel beklagt Galbraith, "the puckish Harvard economist", die seiner Meinung nach zu große Machtkonzentration von Großindustrie und Großgewerkschaften. Er wünscht sich für die Zukunft ein institutionalisiertes staatliches Kontrollsystem für "big business and big labor", um in diesem Zusammenhang abermals die vorübergehenden Kontrollen Nixons zu loben.

Wie die Geschichte der US-Wirtschaft bis heute gezeigt hat, ist die Unternehmenslandschaft gerade der USA äußerst kontrollresistent, wenn man von seltenen Kartellrechtsverfahren absieht. Der Streit um die Monopolstellung der Firma Microsoft vor Gericht hat jedoch eine andere Qualität und stützt die Einschätzung Galbraiths über die Erfolgschancen von Kontrollen: "However, it is quite possible that more determination will be required than the Administration has yet shown."[34]

4. Zusammenfassung

Kurz vor dem Amtsantritt Richard Nixons begann sich die Lage der US-Wirtschaft erst langsam und für viele unbemerkt zu verschlechtern. Die unerwarteten finanziellen Folgen des Vietnamkrieges waren von Nixons Vorgängern nicht durch höhere Steuern abgedeckt worden. Sozialprogramme, die in den wirtschaftlich günstigen Jahren Kennedys und Johnsons aufgelegt worden waren, belasteten zunehmend die Haushaltslage. Der über fast zwei Jahrzehnte anhaltende Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verebbte und wurde wieder von den zyklischen Hochs und Tiefs des business cycle abgelöst, den man überwunden glaubte. Die Vormachtstellung der USA war zwar militärisch als auch wirtschaftlich intakt. Aber andere Volkswirtschaften hatten sich von den Rückschlägen des Krieges erholt und schickten sich an, technologisch und wirtschaftlich zu den USA aufzuschließen. Im eigenen Land waren dagegen notwendige Investitionen in neue Fertigungstechniken und Zukunftsbranchen ausgeblieben. Stattdessen wurden heimische Produkte immer teurer, aber nicht unbedingt besser. Starke Gewerkschaften handelten mit den Unternehmen immer höhere Löhne aus. Die Lohn-Preisspirale begann sich schneller zu drehen.

Auch wenn sich die neue Regierung der Gefahren steigender Inflationsraten bewußt war, fand sie kein wirkungsvolles Gegenmittel. Die konservative Haltung, eine freie Marktwirtschaft könne sich in Friedenszeiten weitgehend selbst regulieren, wurde enttäuscht. Als Nixon zu spät seinen Kurs radikal änderte, konnte er die Situation zu einem für ihn günstigen Moment verbessern. Kurze Zeit später brachten stagflation, also hohe Inflation bei stagnierendem Wachstum, und Rekordarbeitslosigkeit die USA in ihre schlimmste Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren.

Strenger als andere urteilte John Kenneth Galbraith über Nixon und seine Vertrauten in ihren Bemühungen, die US-Wirtschaft wieder auf Stabilität und Wachstum auszurichten. In seiner Kritik schwingt auch gekränkte Eitelkeit mit, weil die republikanische Regierung Nixon seinen liberal-demokratischen Vorschlägen zur Sanierung der Wirtschaft nicht folgen wollte. Galbraiths Feststellung, Großunternehmen würden durch ihren Einfluß mächtiger als die demokratisch gewählten Volksvertreter, kann man aus heutiger Sicht zustimmen. Ob seine Vorschläge, die Marktkräfte staatlich zu kontrollieren, durchsetzbar gewesen wären, scheint in einer über Landesgrenzen hinweg verschmelzenden globalen Wirtschaft wenig wahrscheinlich.

Literaturhinweise

Ambrose, Stephen E. Nixon: The Triumph of a Politician, 1962 – 1972. Bd. 2. New York et al.: Simon and Schuster, 1989.

Calleo, David P. The Imperious Economy. Cambridge und London: Harvard University Press, 1982.

Friedman, Leon und William F. Levantrosser (Hg.). Richard M. Nixon: Politician, President, Administrator. New York, Westport, London: Greenwood Press, 1991.

Galbraith, John Kenneth. Money:Whence It Came, Where It Went. Boston und New York: Houghton Mifflin Company, 1975 (1995).

Galbraith, John Kenneth. The Age of Uncertainty. London: British Broadcasting Corporation, 1977.

Galbraith, John Kenneth. Annals of an Abiding Liberal. Boston: Houghton Mifflin Company, 1979.

Matusow, Allen J. Nixon’s Economy: Booms, Busts, Dollars, and Votes. Lawrence: University Press of Kansas, 1998.

Nixon, Richard M. The Memoirs of Richard Nixon. New York et al.: Simon & Schuster, 1978 (1990).

Thurow, Lester C. The Zero-Sum Society: Distribution and the Possibilities for Economic Change. New York: Basic Books, 1980.

Zeitschriften:

New York Times, Jahrgänge 1969 - 1974

Endnoten

  1. Lester C. Thurow, The Zero-Sum Society: Distribution and the Possibilities for Economic Change. New York: Basic Books, 1980. S. 42.[zurück]
  2. ebd., S. 24.[zurück]
  3. John Kenneth Galbraith, Money:Whence It Came, Where It Went. Boston und New York: Houghton Mifflin Company, 1975 (1995). S. 258 – 260.[zurück]
  4. Thurow, Zero-Sum Society, S. 4.[zurück]
  5. Allen J. Matusow, Nixon’s Economy: Booms, Busts, Dollars, and Votes. Lawrence: University Press of Kansas, 1998. S. 300-301.[zurück]
  6. ebd., S. 9.[zurück]
  7. ebd., S. 13.[zurück]
  8. David P. Calleo, The Imperious Economy. Cambridge und London: Harvard University Press, 1982.[zurück]
  9. Galbraith, Money, S. 277.[zurück]
  10. ebd., S. 273.[zurück]
  11. Calleo, Imperious Economy, S. 25.[zurück]
  12. ebd., S. 26/27.[zurück]
  13. Thurow, Zero-Sum Society, S.43.[zurück]
  14. Calleo, Imperious Economy, S. 28.[zurück]
  15. Ann Mari May und Robert R. Keller, "Nixon’s Political Business Cycle." in: Leon Friedman und William F. Levantrosser (Hg.). Richard M. Nixon: Politician, President, Administrator. New York, Westport, London: Greenwood Press, 1991. S. 227.[zurück]
  16. Matusow, Nixon’s Economy, S. 9.[zurück]
  17. Richard M. Nixon, The Memoirs of Richard Nixon. New York et al.: Simon & Schuster, 1978 (1990). S. 515 ff.[zurück]
  18. Calleo, Imperious Economy, S. 28/29.[zurück]
  19. Calleo, Imperious Economy, S. 29, Thurow, Zero-Sum Society, S. 44.[zurück]
  20. Nixon, Memoirs, S. 497.[zurück]
  21. New York Times, 16.08.1971, S. 1 und S. 14/15.[zurück]
  22. Thurow, Zero-Sum Society, S. 44.[zurück]
  23. Calleo, Imperious Economy, S. 105.[zurück]
  24. ebd., S. 106.[zurück]
  25. Galbraith, Money, S. 285/286.[zurück]
  26. ebd., S. 288.[zurück]
  27. ebd., S. 289/299.[zurück]
  28. New York Times Magazine, 18.02.1973, VI / S. 10 ff.[zurück]
  29. Galbraith, Money, S. 293.[zurück]
  30. New York Times, 03.05.1970, III / S. 1.[zurück]
  31. New York Times, 25.08.1971.[zurück]
  32. New York Times, 12.10.1971. S. 34.[zurück]
  33. New York Times, 16.12.1971. S. 93.[zurück]
  34. ebd.[zurück]
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